Zugegeben: Manchmal bin ich stolz auf Österreich. Manchmal verspüre ich diese seltsame Glückseligkeit, die eigentlich unbegründet ist, weil sie nichts damit zu tun hat, woher ich komme. Zuletzt sind diese Gefühle bei mir beim Song-Contest-Sieg von Conchita Wurst und dem 1:0 des österreichischen Fußballteams gegen Montenegro aufgetreten. Ich würde mir zwar nicht gleich "Conchita" auf die Brust tätowieren lassen und schon gar nicht "Austria" über den Nacken. Aber man wird sich doch noch freuen dürfen.
Integrationsminister Sebastian Kurz hat nun die Kampagne #stolzdrauf gestartet, die das "Österreichbewusstsein" sowohl bei Migranten als auch bei der Mehrheitsbevölkerung stärken soll. Das ist grundsätzlich kein schlechter Gedanke, und die Aktion hat die Häme der österreichischen Anti-Charme-Intelligenz auf Twitter eigentlich nicht verdient.
Die an sich gut gemeinte Initiative droht jedoch an zwei Parametern zu scheitern: Stolz ist erstens ein subjektives Gefühl, das bei zu starker Gleichschaltung einer Gesellschaft eher schadet als nützt, wenn es in Richtung Nationalismus kippt. Zweitens kann und sollte man Stolz nicht verordnen.
Es klingt aber nach Verordnung, wenn "Integrationsbotschafter" zeigen sollen, was "uns" ausmacht. Ausgerechnet "Volks-Rock-'n'-Roller" Andreas Gabalier soll bei der "Entwicklung der Identität" mitwirken. Der Gabalier, der nicht fähig ist, die Töchter in der Hymne zu singen, soll Integration vorantreiben? Soll er gemeinsam mit womöglich patriarchalisch erzogenen türkischstämmigen Burschen auftreten, um den Frauen zu zeigen, wo es in diesem Land langgeht?
Aber weg von der Polemik, zurück zur Sache. Es sollte schließlich auch jeder und jede #stolzdrauf sein können, auf einem Konzert von Gabalier gewesen zu sein. Genauso wie man auch #stolzdrauf sein könnte, dass Migrantinnen und Migranten mehr spannende Diversität in dieses Land bringen. Die ernst gemeinten Ansichten der Bürger dazu einzufangen, was sie stolz macht, ist tatsächlich sinnvoll (es darf unterhalb übrigens gepostet werden), die Botschafter kann man sich jedoch sparen. (Rainer Schüller, derStandard.at, 11.11.2014)