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Ob der bärbeißige Fabio Capello mit dem russischen Team die Kurve kratzt, erscheint fraglich.

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Gegen Moldau reichte es für Russland nicht zum Sieg. Tormann Igor Akinfejew musste in Moskau den Ausgleich zum 1:1 hinnehmen.

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Wien - "Wenn man einen einzigen Mann als Vater des modernen Fußballs bezeichnen wollte, dann Wiktor Maslow", schreibt Jonathan Wilson in seiner bahnbrechenden Taktik-Geschichte "Revolution auf dem Rasen". Doch wer kennt den 1910 in Moskau geborenen russischen Trainer, der in den 1960er-Jahren nicht nur Pressing und Raumdeckung erfand, sondern dabei gleich auch noch die klassische Position des Außenstürmers abschaffte? Maslow, der Torpedo Moskau zur Meisterschaft geführt hatte, danach aber mit Dynamo Kiew seine größten Erfolge feierte, kreierte einen totalen Fußball in statu nascendi, für den die Welt zu seiner Zeit noch nicht ganz bereit schien.

Walerij Lobanowskyj führte sein Werk fort. Er entwickelte die Überlegungen des "Opa" genannten Alten auf naturwissenschaftlicher Basis weiter. In Kiew und später auch bei der sowjetischen Nationalmannschaft forcierte der Visionär die Verknappung des Raums in einer Radikalität, die damals höchstens bei Ajax Amsterdam in ähnlicher Form zu sehen war. Unter seiner Anleitung erreichte der sowjetische Fußball eine späte Hochblüte, als das Imperium bereits auf tönernen Füßen zu wanken begonnen hatte. 1988 scheiterte man erst im Finale der Europameisterschaft an Rinus Michels' Niederländern.

Der politische Wandel und die damit einhergehenden anarchischen Zustände in Russland forderten nach 1991 auch im Sport ihren Tribut. Es fehlte an Geld, Unordnung und Auflösung befielen die Systeme. Der Niedergang war unvermeidlich. Die Orientierungslosigkeit wurde auch daran deutlich, dass sich bis 2006, als der Niederländer Guus Hiddink berufen wurde, kein russischer Teamchef länger als zwei Jahre im Amt halten konnte. Die zunächst in großer Zahl in den Westen strömenden Spieler aus dem ehemals sowjetischen Raum kamen mit den neuen Gegebenheiten nicht zurecht. Sie waren wie Fische auf dem Trockenen.

Heute schwimmt der russische Fußball im Geld, das vor allem aus dem Schoß der Öl- und Gasgiganten sprudelt. Aber auch milliardenschwere Oligarchen wie Roman Abramowitsch tragen ein Schärflein bei. Der finanzierte etwa den Aufbau einer nationalen Fußballakademie, mit landesweit 82 Leistungszentren. Dutzende neue Stadien sind ebenfalls Teil der gigantischen Infrastrukturoffensive. Um diese mit Leben zu füllen, vertraute man mittlerweile aber auf externes Know-how. Mit Hiddink und seinen Nachfolgern Dick Advocaat und Fabio Capello wurden erstmals Ausländer mit dem Wohl und Wehe der Nationalelf befasst. Advocaat kündigte 2010 für seine kolportierten sieben Millionen Euro Jahresgehalt ohne zu zögern seinen erst kurz davor mit dem belgischen Verband geschlossenen Vertrag. Der Italiener Capello soll angeblich sogar zehn Millionen einstreifen.

Großmachtstatus

Hinter all dem steht ein viel größerer, von Präsident Wladimir Putin höchstselbst aktiv unterstützter Plan. Die Wiedererlangung des russischen Großmachtstatus soll nicht zuletzt auch durch Erfolge seiner Athleten reflektiert werden. Die aber halten sich trotz des erheblichen Aufwands zumindest im Fußball in Grenzen. Immerhin konnten ZSKA Moskau (2005) und Zenit St. Petersburg (2008) den Uefa-Cup nach Hause tragen, doch die Nationalmannschaft will nach wie vor ihren Platz in der Weltklasse nicht so recht finden. Zuweilen schien es, als sollte der Durchbruch gelingen. Etwa, als die Sbornaja 2008 im EM-Viertelfinale die Niederlande in begeisternder Manier in die Schranken wies. Man befand sich, wohl erstmals seit der Ära Lobanowskyj, wieder auf der Höhe der Zeit.

Doch das war nicht von Dauer. Es folgten zögerlich absolvierte Endrunden 2012 und zuletzt bei der WM in Brasilien. Wiederholt beschleicht den Beobachter das Gefühl, die Russen würden sich unter Wert verkaufen. Auch die nächste Stargeneration um Roman Pawljutschenko oder Andrei Arschawin blieb angesichts mittelmäßig absolvierter Auslandsengagements ein nur begrenzt eingelöstes Versprechen. Heute muss man russische Legionäre mit der Lupe suchen, der Ehrgeiz, sich in der Fremde zu beweisen, scheint im Wissen um die mittlerweile in der heimischen Premjer-Liga bezahlten Fantasiegehälter enden wollend. Dass dort oft vor halb leeren Rängen gegeigt wird, scheint verschmerzbar - nur rund 11.500 Zuschauer kommen im Schnitt zu den Matches.

Capello hält diesen Zustand für wenig hilfreich: "Im Ausland zu spielen hilft jedem, sich zu verbessern und zu reifen. Wenn man immer nur in der eigenen Liga spielt und sich nicht mit anderen Umständen auseinandersetzen muss, ist es schwieriger, sich zu steigern."

Der letzte Mohikaner in seinem Kader heißt Denis Dmitrijewitsch Tscheryschew, dem Stürmer ist heuer für Villarreal immerhin schon ein Tor gelungen. (Michael Robausch, DER STANDARD, 12.11.2014)

25-Mann-Kader Russlands (vor Reduzierung auf 23):

Tor: Juri Lodigin (Zenit. St. Petersburg), Artem Rebrow (Spartak Moskau), Igor Akinfejew (ZSKA Moskau)

Abwehr: Wasili Beresuzki (ZSKA Moskau), Wladimir Granat (Dynamo Moskau), Sergej Ignaschewitsch (ZSKA Moskau), Jewgeni Makejew (Spartak Moskau), Sergei Parschiwljuk (Spartak Moskau), Andrej Semenow (Terek Grosny), Georgi Schennikow (ZSKA Moskau), Dmitri Kombarow (Spartak Moskau)

Mittelfeld: Denis Gluschakow (Spartak Moskau), Dmitri Poloz (Rostow), Alan Dsagojew (ZSKA Moskau), Alexej Jonow (Dynamo Moskau), Magomed Osdojew (Rubin Kasan), Alexander Samedow (Lok Moskau), Wiktor Fajsulin (Zenit St. Petersburg), Denis Tscherischew (Villarreal/ESP), Roman Schirokow (Spartak Moskau), Oleg Schatow (Zenit St. Petersburg)

Angriff: Artem Dsjuba (Spartak Moskau), Maxim Kanunnikow (Rubin Kasan), Alexander Kerschakow (Zenit St. Petersburg), Alexsander Kokorin (Dynamo Moskau)