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"Basta Euro" - mit sehr einfach gestrickten, aber offenbar wirksamen Slogans weiß Matteo Salvini die alten Wähler der rechten Lega Nord für sich zu gewinnen. Diese waren zuletzt zu Beppe Grillos Protestpartei übergelaufen.

Foto: AP / Pablo Martinez Monsivais

Es war vor zwei Monaten, da besuchte Matteo Salvini Nordkorea, das Reich des "geliebten Führers" Kim Jong-un. Nach seiner Rückkehr war Salvini voll des Lobes für die bizarre Diktatur: Alle Kinder könnten auf der Straße Fußball spielen; und es gebe weder "Zigeuner" noch "Clandestini" (illegale Einwanderer). Und überhaupt sei das ganze Land "so sauber wie die Schweiz". Die Menschenrechtsverletzungen tat Salvini ab: "Die Todesstrafe existiert auch in den USA." Seither wird der 41-jährige Chef der Lega Nord scherzhaft ebenfalls "Geliebter Führer" genannt - und zwar von Freund und Feind.

Natürlich: Der Besuch in Nordkorea war eine bewusste Provokation - wie so vieles, was Salvini sagt und tut. Der "andere Matteo" (eine Anspielung auf den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Renzi) hatte etwa auch gefordert, dass die Mailänder U-Bahn-Wagons nur für Frauen und Einheimische führt, damit diese nicht den Belästigungen der "schlecht erzogenen Immigranten" ausgesetzt seien.

Rassistische Entgleisungen ...

Und nach einem Tötungsdelikt durch einen Einwanderer in Mailand schob Salvini die Schuld der damaligen Integrationsministerin Cécile Kyenge zu, deren Laschheit solche Straftaten fördere. Als sich Staatspräsident Giorgio Napolitano rassistische Äußerungen gegen die aus dem Kongo stammende Ministerin verbat, forderte Salvini das Staatsoberhaupt auf, er solle gefälligst "den Mund halten".

Der stets hemdsärmlige Salvini ist seit knapp einem Jahr der Anführer der Lega Nord. Die Bewegung, die seit den 1990er-Jahren für die Unabhängigkeit der Regionen im Norden und gegen "Roma ladrona" (das "räuberische Rom") kämpft, befand sich damals am Boden: Übervater Umberto Bossi hatte wegen eines Finanzskandals zurücktreten müssen; bei den Parlamentswahlen 2013 büßte die Lega Nord die Hälfte ihrer Stimmen ein und kam noch auf vier Prozent. Wegen der Bossi-Affäre waren die bisherigen Wähler in Scharen zu Beppe Grillos Protestbewegung übergelaufen.

Doch jetzt, unter Salvini, kommt die Lega in Umfragen inzwischen wieder auf rund zehn Prozent, der "andere Matteo" gar auf 28 Prozent. Damit ist Salvini zwar noch weit entfernt von Renzi, aber er belegt auf der Beliebtheitsskala doch schon Platz zwei vor Grillo und Silvio Berlusconi.

... und Anti-EU-Parolen

Die anhaltende Wirtschaftskrise hat viele Wähler empfänglicher gemacht für fremdenfeindliche Stimmungsmache und EU-kritische Parolen, die schon immer zum Repertoire der Lega gehörten.

Davon profitiert nun Salvini, der im Europaparlament eng mit dem nationalistischen und rechtsradikalen Front National von Marine Le Pen zusammenarbeitet.

Angesichts seines Höhenflugs in den Umfragen will Salvini nun mehr: "Wir wollen im rechten Lager Italiens der neue Orientierungspunkt sein. Wir streben nach der Mehrheit im Land." Zu diesem Zweck will Salvini die postfaschistischen Kleinparteien an Bord holen, die einst - ebenso wie die Lega Nord - zur Koalition Berlusconis gehört hatten.

Und um auch in dem bisher geschmähten Süden des Landes Stimmen zu gewinnen, verzichtet Salvini nun auf die Sezessionsrhetorik, welche einst das zentrale Thema der Lega Nord war. Rom, das alte Feindbild, ist längst von Brüssel abgelöst worden. Den Euro bezeichnet der Lega-Nord-Chef gern und wiederholt als "Verbrechen gegen die Menschheit" .

Kaum Konkurrenten

Noch mehr als von der Wirtschaftskrise profitiert Salvini freilich von der Schwäche Berlusconis: Der 78-jährige Ex-Premier, dessen Partei Forza Italia bei den EU-Wahlen im Mai nicht einmal mehr 20 Prozent der Stimmen erreicht hatte, wirkt seit Monaten unentschlossen und fahrig.

Weil aber Berlusconi in den letzten zwanzig Jahren im Mitte-rechts-Lager jeden Konkurrenten kleingehalten hatte, herrscht im bürgerlichen Lager Italiens derzeit ein gewaltiges politisches Vakuum - so wie Anfang der 1990er-Jahre nach dem Zusammenbruch der Democrazia Cristiana (DC). Damals hatte Berlusconi dieses Vakuum gefüllt - und jetzt will Salvini die sich bietende Chance nutzen. (Dominik Straub aus Rom, DER STANDARD, 12.11.2014)