Die Steuerreform muss und wird kommen: Darin sind sich der neue ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und Bundeskanzler Werner Faymann einig.

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Wien - Der Spielraum für Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner schrumpft und schrumpft. Die Regierungsspitzen halten zwar eisern an ihrem Unterfangen fest, bis März 2015 die Details einer Steuerreform zu klären. Von konjunktureller Seite kommt aber massiver Gegenwind.

Am Dienstag legte das Wirtschaftsforschungsinstitut eine neue Schätzung für die kommenden Monate vor. Der Tenor: Das Wachstum ist im dritten Quartal nicht nur komplett zum Erliegen gekommen, Vorlaufindikatoren deuten auch auf eine "weitere Verschlechterung der Lage" hin. Für eine anschließende Belebung des Wirtschaftswachstums gebe es "keinerlei Anzeichen", schreibt das Wifo.

Sollte man also neben der Einkommensteuersenkung auch auf klassische konjunkturbelebende Maßnahmen setzen? Faymann und Mitterlehner gaben sich nach dem Ministerrat noch zurückhaltend. Der Kanzler verwies auf parallel laufende Überlegungen auf EU-Ebene. Der Wirtschaftsminister hat noch die leise Hoffnung, dass die Prognosen diesmal zu pessimistisch sind.

Wifo-Experte Marcus Scheiblecker hielte es jedenfalls durchaus für sinnvoll, Konjunkturmaßnahmen zu setzen. Durch eine Offensive beim Wohnbau oder bei Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen könnte man "zusätzliche Impulse erzielen", wie er im STANDARD-Gespräch sagte. Investitionen in diesen Bereichen würden auch nachhaltig mehr Wachstum bringen. Generell gelte: Erhöhte Staatsausgaben führen zu einer stärkeren Wirtschaftsbelebung als Steuersenkungen. Als Richtwert nennt Scheiblecker: Eine Milliarde Entlastung führt über den belebten Konsum zu höheren Steuereinnahmen zwischen 100 und 300 Millionen. Der Rest wird gespart oder für Dinge ausgegeben, bei denen keine Steuern anfallen.

Entlastung überfällig

Freilich dürfe man die Debatte nicht nur darauf reduzieren, was konjunkturwirksamer sei, sagt Scheiblecker. Eine Steuersenkung sei längst überfällig. Und schließlich gelte es auch, die Defizitvorgaben zu berücksichtigen, die bei Mehrausgaben noch schwerer einzuhalten wären.

Diese Probleme werden die Verhandler von Rot und Schwarz in den kommenden Monaten zu lösen haben. Für etwas Wirbel sorgte Mitterlehner mit einer Aussage in der ZiB 2 am Montagabend, wonach die Koalition keine Existenzberechtigung mehr habe, sollte sie beim Steuerthema auf keinen grünen Zweig kommen. Alle Minister wollten die Aussage am Dienstag nicht als Zweifel an der Lösungsfähigkeit der Regierung verstanden wissen.

Faymann zeigte sich gar erfreut ob der klaren Worte seines Vizes. Die versprochene Steuerreform sei "keine Kleinigkeit", die man einfach so wieder absagen könne. Sie sei "politisch lebenswichtig. Und wenn etwas lebenswichtig ist, dann sollte man es tun."

Positiv aufgenommen wurde bei den roten Verhandlern auch, dass Mitterlehner nicht mehr explizit Nein zu neuen Steuern sagt. Wenn noch ein kleiner Teil der Reform gegenzufinanzieren sei, seien neue Steuern "nicht total ausgeschlossen", so Mitterlehner. Die SPler sehen darin nun eine erste Bewegung in der Frage von vermögensbezogenen Steuern. (Günther Oswald, DER STANDARD, 12.11.2014)