Bild nicht mehr verfügbar.

Lange war Österreich für Ausländer, die ihr Geld verbergen wollen, ein guter Zufluchtsort. Doch es wird eng. Deutsche Steuerbehörden fischen auch hierzulande nach Betrügern.

Foto: Foto: Reuters / Rehle

Wien - Für Ausländer, die ihr Geld vor dem Zugriff der Finanz verstecken wollten, war Österreich jahrzehntelang ein sicherer Zufluchtsort. Das heimische Bankgeheimnis garantierte totale Diskretion. Damit ist es vorbei.

Seit Juli 2014 erlaubt ein Gesetz ausländischen Finanzbehörden einen bisher beispiellosen Durchblick über die Grenze. Wie der Standard erfuhr, gibt es bereits reges Interesse daran, die neuen Instrumente zu nutzen. Deutsche Steuerbehörden arbeiten zurzeit eine sogenannte Gruppenanfrage aus. Sie wollen Informationen über Kontobewegungen ihrer Bürger, und zwar rückwirkend für mehrere Jahre. Für Steuerbetrüger aus dem Nachbarland wird es also eng. Aber auch für heimische Banker könnte die Transparenz unangenehme Folgen haben, sagen Steuerexperten.

Kurzer Blick zurück: Jahrzehntelang hat man in Österreich Amtshilfeanfragen aus dem Ausland nur beantwortet, wenn es schon einen konkreten Anfangsverdacht gab. Um Informationen über das Konto eines Deutschen zu bekommen, musste die Finanzpolizei in Bayern oder Nordrhein-Westfalen - Steuerverfahren sind in Deutschland Ländersache - wissen, nach wem sie sucht. Die Finanz musste einen Namen nennen. Dies war ohne Kontodaten kaum möglich, weshalb sich das System ad absurdum führte. Nach jahrelangem Druck der Industriestaatenorganisation OECD ist das nun anders. Österreich erlaubt ab sofort Gruppenanfragen, also Ansuchen bei denen keine Namensnennung mehr notwendig ist.

"Gute Sache"

Im Finanzministerium in Nordrhein-Westfalen, einem auf dem Gebiet sehr aktiven Land, heißt es, dass man am "Thema Gruppenanfrage" nach Österreich arbeitet. Das neue Instrument sei eine "gute Sache", nun müssten letzte "Zweifelsfragen" innerhalb der deutschen Steuerverwaltung geklärt werden. "Bei geeigneten Fällen wird das neue Instrument genutzt werden", heißt es auch in Rheinland-Pfalz.

Dem Vernehmen nach sprechen die Deutschen mit dem Finanzministerium in Wien bereits darüber, wie ein Auskunftsersuchen aussehen kann. "Es muss ja klar sein, dass aus Österreich eine Antwort kommt, sonst wäre das ein diplomatischer Affront", sagt ein Insider. Man könne Verhandlungen mit Deutschland nicht bestätigen, heißt es hingegen aus dem Finanzministerium in Wien.

Die heikle Frage, die noch geklärt werden muss, ist, welche Merkmale eine "Gruppe" haben muss. Zu allgemeine Anfragen, etwa nach allen Deutschen mit Konten in Österreich, bleiben verboten. Trotzdem ist der auf internationale Fragen spezialisierte Augsburger Steuerberater Ulrich Derlien überzeugt, dass die deutsche Finanz ein großes Netz nach Österreich auswerfen wird. "Denn dort gibt es viel zu holen."

Mehr als die Hälfte der Konten von Bundesbürgern in Österreich dürften nicht deklariert worden sein, schätzt er. Mögliche Definition einer Gruppe aus Sicht des Experten: alle Deutschen, die seit 2011 ihre Konten in Österreich bar aufgelöst haben, die davor eine anonyme Quellensteuer auf Zinseinnahmen entrichteten und die postlagernde Korrespondenz vereinbart haben.

Weißgeld in der Schweiz

Das mit den Barabhebungen könnte für die deutsche Finanz überhaupt zum wichtigen Thema werden, was mit der Schweiz zusammenhängt. Die Eidgenossen verfolgen seit 2013 eine Weißgeldstrategie: Die Banken haben sich verpflichtet, unversteuerte Gelder loszuwerden. Kunden müssen belegen, dass sie alle Abgaben abgeführt haben. Teil der Strategie war auch eine strikte Begrenzung der Barabhebungen von Deutschen.

Ein Ausweg für Hinterzieher: Das Geld nach Österreich überweisen und dort bar beheben.

Der österreichische Bankensektor habe im Gegensatz zu jenem in der Schweiz die vergangenen Jahre eben nicht für eine Transparenzoffensive genutzt, sagt Steuerberater Derlien. So fehle eine Weißgeldstrategie des heimischen Sektors: "Lange haben alle darauf gewartet, das Geschäft vom Nachbarn zu übernehmen."

Derlien geht auch davon aus, dass österreichischen Bankern, die besonders emsig Schwarzgeldkunden beraten haben, eine mögliche Strafverfolgung in Deutschland droht, und zwar "wenn auf Basis der Gruppenanfragen klar wird, dass einzelne Berater hier sehr hervorgestochen sind." Deutschland hat in der Vergangenheit Strafen gegen Schweizer Banken verhängt, weil diese Kunden bei der Steuerflucht halfen. (András Szigetvari, DER STANDARD, 12.11.2014)