Die neue ferne Heimat erweist sich nur als bedingt bewohnbar. Kip Thorne stieß sich hingegen nur an den festen Eiswolken.

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Kip Thorne, "The Science of Interstellar". 336 Seiten, € 12,98. W. W. Norton & Co., New York 2014

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Kip Thorne, Physiker und Produzent bei "Interstellar".

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Wien - Am Anfang des Science-Fiction-Spektakels "Interstellar", das am Wochenende bereits fast 50.000 Österreicher in die Kinos lockte, stand zwar die Fiktion. Aber die Wissenschaft stieß bald dazu. Vor acht Jahren, lange bevor die Brüder Nolan mit dem Projekt noch etwas zu tun hatten, suchte Produzentin Lynda Obst für ein Filmdrehbuch wissenschaftliche Unterstützung - und fand sie bei Kip Thorne, einem Popstar der theoretischen Physik, der damals noch Professor am California Institute of Technology war.

Gemeinsam verfassten die beiden ein achtseitiges Exposé, das mit dem fertigen Film allerdings kaum mehr etwas zu tun hat, wie Thorne vor wenigen Tagen in einem Interview mit "ScienceInsider", der Online-Tochter des Fachblatts "Science", gestand. Übrig geblieben sei im Grunde nur die Idee, die Erde mit einem Raumschiff zu verlassen und mittels Wurmloch in eine ferne Gegend jenseits des Sonnensystems zu reisen.

Außerdem hätten sich die Brüder Nolan, die das Projekt erst vor zwei Jahren quasi von Steven Spielberg übernahmen, bis zuletzt an die Anweisungen gehalten, die von Beginn an ausgemacht waren: dass erstens nichts den Gesetzen der Physik widersprechen dürfe und zweitens, dass alle Spekulationen im Film wissenschaftliche Grundlagen haben müssten. Christopher Nolan habe sogar selbst Wissenschaft ins Drehbuch eingebracht, so Thorne: den Tesserakt etwa, die vierdimensionale Version eines Würfels, die am Ende in beeindruckenden Bildern visualisiert wird.

Thorne, der auch ein wissenschaftliches Begleitbuch zu "Interstellar" erfasste, hat bei der Filmversion bloß mit den festen Eiswolken des ersten angesteuerten Exoplaneten gewisse Probleme. Immer wenn diese Stelle kommt, müsse sich der Spezialist für astrophysikalische Deutungen der Relativitätstheorie dann "etwas krümmen".

Thorne mag zwar als Physiker eine wissenschaftliche Autorität sein, die Hollywood zu Werbezwecken für den Film auch weidlich genützt hat. Aber wahrscheinlich spricht da auch der Executive Co-Producer (als der Thorne im Abspann genannt wird), der auch handfestes Interesse am Erfolg des Films hat. Denn die wissenschaftliche Seriosität des Films ist, etwas genauer besehen, vor allem ein guter Verkaufsgag der Marketingabteilung.

Der Beginn geht noch an: Dass auf der Erde Sandstürme wüten und Ernten von Mehltau vernichtet werden, nimmt geschickt das Problem auf, an dem die Landwirtschaft im Westen der USA in den nächsten Jahren verstärkt leiden wird. Aber sobald es in den Weltraum geht, wird dann über einige triviale Probleme der Raumfahrt großzügig hinweggesehen: Wo steckt eigentlich der ganze Treibstoff der Raumschiffe? Wie schützen sich die Astronauten vor der kosmischen Strahlung?

Immerhin habe man sich laut Thorne bei der Darstellung des Wurmlochs (der Begriff geht übrigens auf Thorns Lehrer John Archibald Wheeler zurück) an Einsteins Gleichungen gehalten, die auch die theoretische Grundlage dafür liefern. Dieser nicht völlig unplausible Transfer ist in spektakulären Bildern umgesetzt. Aber ob das kleine Raumschiff und seine Insassen die Überfahrt einfach so mit ein wenig Ruckeln überstehen würden?

Noch übler würde es dem Raumschiff und der Besatzung in der Nähe des spektakulären Schwarzen Lochs namens Gargantua ergehen. Dessen Gravitation und massive Röntgenstrahlung sind für nahe Vorbeiflüge eher ungesund. Thorne habe aus der visuellen Umsetzung von Gargantua angeblich sogar einiges gelernt: über die Strukturen im Inneren Schwarzer Löcher nämlich. Darüber habe er jetzt ein Paper beim Fachblatt "Classical and Quantum Gravity" eingereicht. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 12.11.2014)