Häkelpullunder von Miu Miu.

Foto: MIu Miu

Eigentlich schien seine Zeit lange vorbei zu sein. Denn wenn ihn jemand in der Öffentlichkeit ausführte, waren das meist alte Männer. Man darf guten Gewissens behaupten: Der Pullunder, der beschnittene Bruder des langärmeligen Pullovers, hat kein sonderlich frisches Image. So etwas, könnte man meinen, tragen nur Männer, die sich in Hemd und mit Krawatte allein gelassen fühlen. Und deshalb auf die wärmende Wirkung des Pullunders vertrauen.

Männer wie der Ex-Journalist Eugen Freund, Mitte 60, der ehemalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher, Mitte 80, und der erzkonservative republikanische US-Präsidentschaftskandidat von 2012, Rick Santorum, Mitte 50. Während Genscher sich über Jahrzehnte hinweg in zartem Zitronengelb zur FDP bekannte, avancierten die grauen Teile von Santorum vor zwei Jahren zu Wahlkampfhelfern: Wer dem Team Santorum damals 100 Dollar oder mehr spendete, bekam als Dankeschön einen grauen Pullunder. Es kam allerdings, wie es kommen musste: Santorum und sein spießiges Strickstück sind damals miteinander in der Versenkung verschwunden. Dafür zwinkerte die Obama-Anhängerin Scarlett Johansson dem Republikaner zu: Wenn, dann müsse ein Pullunder heute mit einer gewissen Ironie getragen werden. Das dürfte gesessen haben.

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Pullunderträger Rick Santorum.
Foto: ap/carlson

Dabei hat der Pullunder schon mindestens eine Ironiewelle hinter sich. Ende der 90er-Jahre sang die deutsche Band Tocotronic, die sich damals noch völlig ironisch der Trainingsjacken aus der Humana-Box bediente: "Für die Pullunder, die du damals trugst, bin ich erst jetzt bereit." Refrain und Titel des Songs: "Für immer dein Feind".

Und heute? Sieht die Sache schon wieder anders aus. Tocotronic tragen Rundhalspullover, Hemden, Halstücher und graue Haare. Und auf den Laufstegen wird der Streberinnen-Chic für Frauen kultiviert. Es sieht danach aus, als sei er durchaus ernst gemeint. Louis Vuitton und Miu Miu, die gewichtigen Meinungsmacher unter den Modehäusern, führen vor, wie Pullunder kombiniert werden. Bei Miu Miu sieht das so bunt und topflappig wie an Yves Saint Laurent um 1970 herum aus. Bei Louis Vuitton wird ein braver weißer Spitzenkragen darunter gezogen. Dass das Strickstück allerdings nicht nur Herz und Brust und Nieren warm hält, hat nicht zuletzt Cher Horowitz in "Clueless" vorgemacht. Sie stapelte den Pullunder ordnungsgemäß über einer weißen Bluse. Fast hätte man übersehen, wie es unten weiterging: mit jeder Menge Bein natürlich. (Anne Feldkamp, derStandard.at, 12.11.2014)

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