Eigentlich klingt es simpel: Das Verbreiten von Nacktfotos ohne Zustimmung des Abgebildeten sollte unter Strafe gestellt werden. Denn immer öfter werden Nutzer von Ex-Partner oder Cyberkriminellen erpresst oder durch Veröffentlichung von intimen Bildern gedemütigt. Die Ausformulierung eines entsprechenden Bundesgesetzes sorgt allerdings für große Probleme, wie eine Debatte in den USA momentan aufzeigt.
Pornographische Zensur
So laufen ausgerechnet Bürgerrechtsorganisationen wie die renommierte ACLU zurzeit Sturm gegen das geplante Gesetz. Denn sie sehen die Meinungs- und Redefreiheit als wichtigstes Gut, das durch Maßnahmen gegen Rachepornographie allerdings in Gefahr wäre. Ein Knackpunkt ist etwa, ab wann ein Foto "pornographisch" ist. Man erinnere sich an die Dokumentation von Folterungen im irakischen Abu Ghraib-Gefängnis: Auf den Bildern, die die Gräueltaten der US-Soldaten belegten, waren einige Gefangene nackt oder in sexuellen Posen. Ein Anti-Rachepornogesetz würde aber die Publikation der Bilder verbieten.
Öffentliches Interesse?
Deshalb will die ACLU entsprechende Passagen im Gesetz einfügen, laut denen bei "öffentlichem Interesse" Bilder von der Regelung ausgenommen seien. Nun befürchten manche, dass das im Fall von Prominenten-Nacktbildern von Boulevardmagazinen ausgenutzt werden kann. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie Rachepornos eingedämmt werden können. Die Strafverfolgungsbehörden müssten dazu entsprechende Ressourcen für die Überwachung sozialer Netzwerke bereitstellen. Das sehen Datenschützer und Bürgerrechtler aber als (weiteren) Schritt Richtung Überwachungsstaat.
Wie kontrollieren?
Eine technische Überwachung der sozialen Netzwerke, also etwa das Erkennen von in einer Datenbank eingespeisten Bilder, hilft hier wenig, da diese Tools momentan noch leicht zu überlisten sind. Daher müsste die Kontrolle von menschlichen Mitarbeitern übernommen werden, was Bürgerrechtsorganisationen naturgemäß abschreckt. Dabei hat die Verteidigung von Freiheit eine lange Tradition, in manchen Bundesstaaten protestierte die ACLU sogar gegen Kinderpornographie-Gesetze, da diese durch unklare Sprachwahl zu unerwünschten Konsequzenzen führen könnten.
Grad der Bekleidung
Aber auch abseits der Überwachungs- und Zensurbedenken bergen Anti-Racheporno-Gesetze einige Hürden. Das zeigen Gesetze, die in 15 US-Bundesstaaten bereits in Kraft sind: So gab es in einem Staat laut Vice beispielsweise die Lücke, dass man lediglich als "Opfer" eines Rachepornos galt, wenn man auf dem Bild nackt sei. Wird also jemand, der angezogen ist, beim Oralsex gefilmt, gilt dieser als "bekleidet". Eine andere Hürde war der sogenannte "Streisand-Effekt": Wie sollen Opfer ihre Rechte durchsetzen, ohne dabei zusätzliche Aufmerksamkeit zu erregen? Einige Staaten umgingen dies, indem sie anonymisierte Gerichtsverfahren erlaubten.
Ursprung als Knackpunkt
In wieder anderen Staaten war unklar, ob schon ein verschicktes Nacktselfie als Racheporno gilt. Sie legten den Fokus auf die "Person, die das Bild zuerst verbreitete". Verschickt ein Nutzer ein Nacktfoto von sich selbst, ist das logischerweise kein Vergehen. Allerdings war das Gesetz so formuliert, dass ab dem eigenständigen Moment des Verschickens alle weiteren Verbreitungen nicht ahnungswürdig waren, egal ob der Ursprungssender dies wollte. Unfreiwillig veröffentlichtes Sexting war also nicht ahndungswürdig. Deshalb versuchen US-Abgeordnete, im geplanten bundesweit gültigen Gesetz einen Fokus auf den "nicht im Einverständnis durchgeführten" Verbreitungsweg setzen. (fsc, derStandard.at, 12.11.2014)