Walter Naderer ist wilder Abgeordneter im niederösterreichischen Landtag.

Foto: privat/Naderer

derStandard.at: Sie haben in einer Presseaussendung den Vorschlag von Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek unterstützt, Sexualkunde bereits in der Volksschule einzuführen. Zusätzlich wollen Sie Körperhygiene in der Schule vermittelt wissen?

Naderer: Mir geht es nicht so sehr um die Prävention von sexuellem Missbrauch, den es in dem einen oder anderen Bereich geben könnte. Mir geht es zunächst um die Vermittlung elementarer Dinge, die in der Sozialisation des Kindes eine Notwendigkeit darstellen. Das fällt für mich in den Bereich Köper- und Sexualhygiene, Sexualkunde wäre die nächste Stufe.

derStandard.at: Was ist Sexualhygiene?

Naderer: Dass die Kinder wissen, wie man seine Geschlechtsteile wäscht. Ich kann Ihnen garantieren, dass 70 bis 80 Prozent der Eltern das ihren Kindern nicht vermitteln.

derStandard.at: Wie kommen Sie auf die Idee, dass das so ist?

Naderer: Ich bin seit 20 Jahren Fußballnachwuchstrainer. Ich weiß, was sich in den letzten 20 Jahren abgespielt hat. Das Problem ist, dass es ein Tabuthema ist. Wenn ein Mann darüber spricht, wird er automatisch in die pädophile Ecke gedrängt. Aber ich stehe weit über solchen Dingen. Ein offener und lockerer Zugang zum Thema Sexualhygiene wäre auch in der Schule nicht schlecht, wobei die Wahrung von Scham und Würde sehr wichtig ist. Ich kenne sehr viele Schulärzte, die meine Feststellung bestätigen.

Die Buben haben zu diesem Thema einen Zugang, der von Unsicherheit getragen ist. Bei den Mädchen dürfte es ähnlich sein. Meine Töchter haben uns immer wieder bestätigt, dass ihre Kolleginnen sich davor scheuen zu turnen, weil sie sich davor scheuen, nach dem Turnen schwitzend unter die Dusche zu gehen, weil sie einen Geruch verbreiten. Aber es gibt den Spruch: Sportler stinken nicht. Wenn Sie in eine Fußballerkabine gehen, werden Sie nichts riechen, weil diese so oft duschen.

derStandard.at: Wenn man Ihnen zuhört, könnte man den Eindruck gewinnen, in unseren Schulen seien lauter vernachlässigte Kinder. Übertreiben Sie nicht?

Naderer: Ich sauge mir das alles nicht aus den Fingern. Erst kürzlich las ich in der Bezirkszeitung, dass Kopfläuse wieder im Vormarsch sind. Aber es gibt Volksschulen, die Unmengen an Toilettenpapier verbrauchen. Das hat mir ein Mechaniker von Industriepumpen erzählt.

derStandard.at: Und was schließen Sie aus dieser Beobachtung? Vielleicht finden die Kinder es einfach lustig, viel Papier ins WC zu werfen.

Naderer: Ich weiß es nicht. Ich denke, wenn man eine Untersuchung über den Verbrauch von Toilettenpapier macht in den verschiedenen sozial geschichteten Schulen, werden die in den sozial tiefer geschichteten Schulen weniger wissen, wie man das Toilettenpapier richtig verwendet.

derStandard.at: Glauben Sie ernsthaft, dass der Umgang mit dem Toilettenpapier vom sozialen Hintergrund abhängt?

Naderer: Ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin Nachwuchsfußballtrainer. Was wir zeitweise an vergessener Unterwäsche entsorgen müssen, das wollen Sie nicht sehen.

derStandard.at: In Ihrer Presseaussendung heißt es, dass mehr als 90 Prozent der Söhne von Alleinerzieherinnen "sich die Grundbegriffe von Körper- und vor allem Sexualhygiene selbst oder im Notfall über medizinische Betreuung aneignen mussten". Wie kommen Sie darauf?

Naderer: Glauben Sie wirklich, dass eine Mutter dem Kind erklärt, wie man die Vorhaut zurückzieht und das reinigt? Ich habe lange Soziologie studiert und mich sehr intensiv mit dem Thema Alleinerzieherinnen beschäftigt. Sexualhygiene war ein Untersuchungsteil. Viele Buben erzählten, dass sie erst im medizinischen Notfall erfahren haben, wie man sich richtig wäscht. Niemandem ist klar, wie dringend dieses Problem ist.

derStandard.at: Tun Sie den Alleinerzieherinnen unrecht, wenn Sie solche Anschuldigungen von sich geben?

Naderer: Da tue ich ihnen sicher unrecht. Aber das Zuspitzen ist das Wesen einer gesellschaftspolitischen Diskussion.

derStandard.at: In der Aussendung haben Sie erklärt, auf dem "Niveau von Feministinnen" könne diese Diskussion nicht geführt werden. Wie meinen Sie das?

Naderer: In einer Radiodiskussion habe ich gesagt, dass man schwitzende Kinder auch nach der täglichen Turnstunde zum Duschen anhalten muss. Die Diskussionsteilnehmerin hat mich dann gleich ins pädophile Eck gedrängt. Sie hat gesagt, das kann nur einem Mann einfallen. Auf solche Themen haben Frauen offenbar ein Meinungsmonopol.

derStandard.at: Fühlen Sie sich diskriminiert als Mann?

Naderer: Nein. Meine Töchter sagen immer, ich bin der letzte Macho, was ironisch gemeint ist. Aber sie mögen mich trotzdem. (Katrin Burgstaller, derStandard.at., 12.11.2014)