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Über die sexuellen Verfehlungen ihrer Priester hat die katholische Kirche lange den Mantel des Schweigens gebreitet. Nach den jüngsten Vorwürfen gegen einen Wiener Priester hat man aber jetzt rasch gehandelt.

AP

Wien - Vergangenen Freitag bekam der Pfarrer einer katholischen Kirche in Wien-Simmering unerwarteten Besuch. An der Tür des Gotteshauses standen aber nicht Rat und Trost suchende Schäfchen, sondern mehrere Exekutivbeamte, die im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien eine Hausdurchsuchung in Hochwürdens Gemächern durchzuführen hatten. Die Anschuldigungen wiegen schwer: Es soll zu sexuellen Übergriffen durch den Geistlichen auf einen Jugendlichen gekommen sein, und auf mittlerweile beschlagnahmten PCs soll sich kinderpornografisches Bildmaterial befinden.

Staatsanwaltschaft bestätigt Verfahren

Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt auf Anfrage, dass "ein entsprechendes Verfahren anhängig" ist. Sprecherin Nina Bussek: "Bei einer Hausdurchsuchung am vergangenen Freitag wurden mehrere Datenträger sichergestellt." Grund für die Hausdurchsuchung sei der Verdacht des sexuellen Missbrauchs. Die Auswertung der Daten sei im Moment im Laufen, aber es bestehe der Verdacht, dass es sich um kinderpornografisches Material handle.

Erzdiözese hofft auf Unschuld

Prompt reagiert hat jedenfalls die Erzdiözese Wien. Der Geistliche, der alle Vorwürfe zurückweist, wurde nach einem Gespräch mit dem Wiener Generalvikar Nikolaus Krasa umgehend dienstfrei gestellt. Die Dienstfreistellung sei aufgrund eines Missbrauchsverdachts erfolgt und bleibe aufrecht, bis die Vorwürfe geklärt seien. "Diese Dienstfreistellung ist keine Vorverurteilung, sondern eine Vorsichtsmaßnahme laut Artikel 3.2.1 der Rahmenordnung der Österreichischen Bischofskonferenz für Maßnahmen gegen Missbrauch und Gewalt. Die Erzdiözese hofft, dass sich in den staatlichen Ermittlungen letztendlich die Unbescholtenheit des Priesters erweisen wird, und weist darauf hin, dass für ihn die Unschuldsvermutung gilt", heißt es aus dem Ordinariat der Erzdiözese auf STANDARD-Anfrage.

In der betroffenen Kirchengemeinde selbst ist die Bestürzung groß. Man sei völlig überrascht worden von den massiven Vorwürfen, aber "der Herr Pfarrer ist ganz sicher unschuldig. Wir halten zu ihm", heißt es aus den Reihen des Pfarrgemeinderats. Konkrete Verdachtsmomente habe es vorher "nie gegeben". Der Pfarrer selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Psychotest für Kleriker gefordert

Kritik kommt in Zusammenhang mit den jüngsten Vorwürfen von der Plattform Betroffener Kirchlicher Gewalt. "Die Kirche wird leider erst immer dann aktiv, wenn der Fall öffentlich oder polizeianhängig wird. Wir fordern daher einmal mehr eine unabhängige Kommission zur Aufarbeitung aller kirchlichen Missbrauchsfälle. Und es braucht in der Vorbeugung dringend einen unabhängigen psychologischen Eignungstest für alle Kleriker, die in irgendeiner Form mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben", mahnt Obmann Sepp Rothwangl. (Markus Rohrhofer, derStandard.at, 12.11.2014)