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Wiener und Wienerinnen, die in einem Land außerhalb der EU ihre Matura gemacht haben, sind zu 36 Prozent als Hilfsarbeiter beschäftigt.

Foto: dpa/vennebernd

Wiener und Wienerinnen, deren Eltern aus Serbien, der Türkei oder anderen Drittstaaten zugewandert sind, haben schlechtere Chancen, einmal beruflich erfolgreich zu sein und gut zu verdienen: Das belegt der dritte Wiener Integrationsmonitor. Dieser Monitor misst, wie gut es der Bundeshauptstadt gelingt, zugewanderte Menschen zu integrieren – und zwar fein aufgefächert auf diverse Bereiche wie Wohnen, Bildung, Arbeitsmarkt und Mitbestimmung.

Bildungskluft wächst

Die Bilanz ist durchwachsen. In manchen Bereichen hat sich der problematische Zustand noch verschlechtert, etwa bei der Bildung: Während der Anteil jener, die mindestens Matura haben, insgesamt steigt, bleibt er bei Kindern von Zuwanderern aus EU-Drittstaaten – also etwa Serbien, Bosnien oder der Türkei – seit Jahren gleich, es steigt somit bei dieser Gruppe der Anteil jener, die nur niedrige oder mittlere Bildung haben.

Das hat Auswirkungen auf die Chancen auf dem Arbeitsmarkt: Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist bei gering Ausgebildeten um ein Vielfaches höher. Von jenen 12.500 Jugendlichen, die sich weder in einer Ausbildung noch in einem Arbeitsverhältnis befinden, haben 65 Prozent nur einen Pflichtschulabschluss.

Jugendliche aus Zuwandererfamilien sind in dieser Risikogruppe besonders stark vertreten, sie stellen 76 Prozent der Jungen ohne Job und Bildungsplatz. Allerdings heißt das nicht, dass sich diese Jugendlichen nicht bemühen, einen Job zu finden: Die Hälfte von ihnen sucht laufend nach Angeboten, das lässt sich auch daran ablesen, dass sie bei besserer Wirtschaftslage sofort wieder aus der Risikogruppe herausfallen - sie sind aber auch die ersten, die bei einem Abschwung ihren Job wieder verlieren.

Gleiche Ausbildung, schlechterer Job

Dass Migranten oder Kinder von Zugewanderten schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, lässt sich aber nicht einfach durch niedrigere Bildungsniveaus erklären. Im Gegenteil: Bildung garantiert keinen sozialen Aufstieg. Erst vor kurzem zugewanderte Migranten haben im Schnitt deutlich höhere Abschlüsse als die Gastarbeiter der 60er- und 70er-Jahre: Damals hatten 55 Prozent maximal Pflichtschulabschluss, heute sind es nur noch 27 Prozent. Von jenen, die in den letzten 15 Jahren zuwanderten, hatten 48 Prozent Matura oder ein darüber hinausgehendes formales Bildungsniveau. Trotzdem haben sie schlechtere Jobs.

Vergleicht man beispielsweise eine Tochter österreichischer Eltern mit einer Tochter von Eltern aus EU-Drittstaaten, wobei beide ihren Lehrabschluss in Österreich gemacht haben, zeigt sich: Erstere verdient im Schnitt elf Euro, Zweitere nur acht Euro netto pro Stunde.

Hilfsarbeiter trotz Matura

Ähnlich in höheren Bildungsschichten: Frauen aus Drittstaaten mit höherer Bildung verdienen eklatant weniger als Frauen ohne Migrationshintergrund mit derselben Bildung. Erstere beziehen 15.500 Euro pro Jahr, letztere 27.800 Euro. Der Grund: Bei gleicher Ausbildung werden Migranten und Migrantinnen oft niedrigeren Tätigkeiten zugeordnet als Nichtmigranten. Vorurteile der Arbeitgeber spielen hier eine wichtige Rolle.

Besonders schlimm ist es dann, wenn der Abschluss im Ausland erworben wurde. Wiener und Wienerinnen, die in einem Land außerhalb der EU ihre Matura gemacht haben, sind zu 36 Prozent als Hilfsarbeiter beschäftigt. Bei Kindern von aus Drittstaaten Zugewanderten, die schon in Österreich maturiert haben, sind es sechs Prozent, bei Österreichern mit Matura hingegen nur 1,5 Prozent. "Es ist nicht wahnsinnig vernünftig für jemanden, der gut gebildet ist, nach Österreich zu kommen", bilanziert Soziologe August Gächter. Der Einkommensnachteil aufgrund der Herkunft sei gerade bei Höherqualifizierten zu groß.

Wird man zu Beginn der Berufslaufbahn unter der eigenen Qualifikation eingestuft, beispielsweise weil Arbeitgeber mehrere Jahre Vorerfahrung nicht anerkennen und erfahrene Beschäftigte als Anfänger einstufen, lässt sich dieser Startnachteil im Lauf der Karriere kaum mehr ausgleichen. Die Aussicht auf ein gutes Einkommen sinkt drastisch - und damit verschlechtern sich auch die Chancen der eigenen Kinder.

Jugendarmut steigt

Auffällig ist, dass die Einkommen immer weiter auseinanderdriften. Während Österreicher heute im Schnitt um zehn Prozent mehr verdienen als vor zehn Jahren, blieb das Haushaltseinkommen der Zuwanderer aus Drittstaaten und aus den neueren EU-Staaten gleich. Als Folge davon steigt auch die Jugendarmut drastisch an: Im Jahr 2003 waren 40 Prozent der Jugendlichen in Haushalten aus Drittstaaten armutsgefährdet – acht Jahre später, im Jahr 2011, waren es bereits 55 Prozent, die mit deutlich weniger Geld auskommen mussten als die meisten Österreicher.

Dass Bildung vererbt wird, ist längst bekannt. Meist wird dies damit begründet, dass schlecht gebildete Eltern weniger Geld für Nachhilfe haben oder die Kinder beim Lernen nicht unterstützen können. Der Integrationsmonitor streicht eine weitere wichtige Komponente hervor: und zwar Vorurteile der Lehrer gegenüber Eltern, die zugewandert sind. "So kann ein Akzent, ein nicht fehlerfreies Deutsch, aber auch eine niedrig qualifizierte Tätigkeit (…) zu einer Voreingenommenheit gegenüber den Kindern und in der Folge zu deren Benachteiligung führen", heißt es in dem Bericht.

Zu wenig Geld für Einbürgerung

"Gerade im Bereich Integration ist Versachlichung dringend nötig - es gibt wenige Themen, die so emotional diskutiert werden wie dieses", begründet Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger die Beweggründe für das Monitoring der Stadt.

Viele der aufgezählten Probleme kann die Wiener Stadtpolitik aber nur bedingt steuern, da es Bundesgesetze sind, die den Rahmen vorgeben. Besonders deutlich wird das bei der politischen Mitbestimmung: Dass beispielsweise in Rudolfsheim-Fünfhaus mittlerweile 37 Prozent der Bezirksbewohner kein Wahlrecht haben, liegt auch am restriktiven Staatsbürgerschaftsrecht. Rund 18 Prozent der Drittstaatsangehörigen leben in Haushalten, die nicht genügend Geld verdienen, um die strengen Einkommensvorgaben bei der Einbürgerung zu erfüllen.

Selbstkritik

Der von der Magistratsabteilung 17 (Integration und Diversität) herausgegebene Bericht spart auch nicht mit Selbstkritik, was die Diversität der gemeindeeigenen Einrichtungen betrifft. In einem eigenen Diversitätsmonitor wurde beispielsweise untersucht, wie viele Sprachen die Mitarbeiter in den Magistratsabteilungen sprechen, ob es mehrsprachiges Informationsmaterial gibt und ob die Einrichtungen eine konsequente Diversitätsstrategie verfolgen.

Zwar gibt es laufend Fortschritte – so suchen beispielsweise die städtischen Kindergärten gezielt nach Personal mit Migrationshintergrund. Andere Einrichtungen wiederum scheinen sich schwerzutun mit der Realität, dass Wien eine vielfältige Stadt ist. So beschränkt sich Wiener Wohnen trotz des hohen Anteils an Bewohnern mit Migrationsbezug noch überwiegend auf einsprachiges Material und bietet Beratungen fast nur auf Deutsch an.

Insgesamt beschäftigt die Gemeinde Wien, die mit 65.000 Beschäftigten Wiens größter Arbeitgeber ist, weit weniger Migranten als politisch gewünscht. Rechnet man die Spitäler weg, sind nur 15 Prozent der Wiener Bediensteten im Ausland geboren oder Bürger eines anderen Staates. Langfristig verfolgt die Stadt das Ziel, dass sich der Stellenwert der Wiener ausländischer Herkunft auch im Personalstand wiederspiegelt. Gemessen an der Wiener Erwerbsbevölkerung liegt er derzeit bei 41 Prozent. (Maria Sterkl, derStandard.at, 13.11.2014)