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Ägyptens Präsident Sisi, der zypriotische Präsident Anastasiades und der griechische Premier Samaras in Kairo.

Foto: EUTERS/The Egyptian Presidency/Handout via Reuters

CH4 ist eine prima Sache, steckt auch unter dem Meeresboden, und das öfter, als man glaubt. Leute machen wahnsinnig viel Geld damit, und wenn erst einmal Staaten anfangen, sich damit zu beschäftigen, wird schnell großes Kino daraus. "Das war ein Treffen, das wir der Geschichte schuldig waren", sagte etwa der griechische Regierungschef Antonis Samaras, als er sich dieser Tage in Kairo in Sachen CH4 an einen Tisch setzte mit dem gewählten ägyptischen Militärherrscherpräsidenten Abd al-Fattah as-Sisi und dem zypriotischen Präsidenten Nicos Anastasiades.

Das Erdgas hat die drei Herren zusammengebracht, die Methanverbindungen, die im östlichen Mittelmeer ihrer Ausbeutung harren und für gutes Geld einmal durch Kraftwerksturbinen und Küchenherde rauschen sollen. Eine "Erklärung von Kairo" gab es auch, darin lesen wir: "Wir rufen die starken historischen Bande und das reiche kulturelle Erbe in Erinnerung, das wir teilen und welches das Ergebnis zweier großer menschlicher Zivilisationen ist, die beide ein einzigartiges universelles Vermächtnis für die Menschheit sind."

Zu laut, zu aggressiv

Denn natürlich ging es bei dem griechisch-ägyptisch-zypriotischen Treffen am 8. November nicht allein um das Erdgas im Meer. Das hätte wohl ein bisschen kleinkrämerisch ausgesehen; Krieg und Frieden in Nahost, der schöne Wert der Demokratie, Sicherheit und Wohlstand für alle lagen den Staatsführern ebenso am Herzen. Und in Wirklichkeit ist es auch weniger ein politisches Dreieck, das da entstanden ist, als ein Quadrat, und zwar eines, in dem die türkische Führung nun wütend herumspringen kann: Zypern, Griechenland, Ägypten, Israel. Alle wollen in Erdgas machen und gern auch ohne die Türkei, die ihnen zu groß, zu laut, zu aggressiv ist.

Anastasiades wird Anfang Dezember schon nach Israel reisen, Samaras war dort erst. Die griechisch-zypriotisch-israelische "Achse" hat sich bereits 2011 abgezeichnet, als Erdgasvorkommen vor Zypern, gleich neben einem israelischen Gasfeld, plausibel und eine Exportroute nach Griechenland denkbar wurden. Ägypten ist neu in dieser Konstellation.

"Wertvolle Einsamkeit"

Der Machtwechsel von den Muslimbrüdern zu Armeechef Sisi und die Opposition der türkischen Regierung sowohl gegen Sisi wie auch gegen Israel und gegen die Öl- und Gasbohrungen vor der geteilten Insel Zypern haben dieses neue Staatenquadrat geschaffen. Es ist ein Zeichen für die politische Isoliertheit, in die sich die konservativ-islamisch regierte Türkei, das größte und wirtschaftlich wichtigste Land in der Ostecke des Mittelmeers, in den vergangenen Jahren manövriert hat. Eine "wertvolle Einsamkeit" hat das Ibrahim Kalin, der außenpolitische Chefberater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, genannt, wobei er in Abrede stellte, dass es so sei. Seine Äußerung auf Twitter vom Sommer 2013 wird ihm gleichwohl dauernd um die Ohren geschlagen.

Was hat Ägypten nun in diesem Quadrat anzubieten? Nicht viel zunächst.

  • Ägypten fördert Erdgas – rund 60 Milliarden Kubikmeter im Jahr –, die gesicherten Vorkommen sollen bei 2,15 Billionen Kubikmeter liegen; doch gleichzeitig hat sich die Energiekrise seit dem Sturz Mubaraks im Jahr 2011 verschärft. Der staatliche Energiesektor ist verschuldet, gilt als schlecht gemanagt und veraltet.
  • Ägypten und Israel sind mit einer Gaspipeline von Arish auf dem Sinai nach Ashkalon verbunden; doch der Gasexport nach Israel endete mit der Machtübernahme der Muslimbrüder; jetzt, unter Sisi, wird über eine Umkehr der Flussrichtung nachgedacht – der texanische Noble-Konzern will Gas vom israelischen Offshore-Feld Tamar durch die Pipeline nach Damietta in Ägypten pumpen, der Hafenstadt am Nildelta. Dort steht eine LNG-Anlage mit internationaler Beteiligung, die der Energieknappheit wegen kein ägyptisches Gas mehr für den Export erhält. Die Pipeline durch den Sinai ist allerdings immer wieder Ziel von Anschlägen der Islamisten gewesen.

Politisch aber kann Ägypten, das bevölkerungsreichste arabische Land, für Zypern und Griechenland Einiges ins Gewicht legen. Die Kairo-Erklärung vom 8. November stützt die griechischen Zyprioten in der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit Ankara. Die Türkei hat im Vormonat ein Forschungsschiff losgeschickt, das den Meeresboden südlich von Zypern auf mögliche Öl- und Gasvorkommen untersuchen soll. Die Türkei solle die "souveränen Rechte der Republik Zypern über ihre Ausschließliche Wirtschaftszone respektieren" und alle seismischen Untersuchungen stoppen und in Zukunft auch unterlassen, so heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Ankara erkennt das EU-Mitglied Zypern nicht an und hat derzeit auch keinen Botschafter in Kairo; Erdogan weigerte sich zuletzt bei der UN-Vollversammlung, dem ägyptischen Staatschef, den er konsequent als Putschführer bezeichnet, die Hand zu schütteln.

Einigung über Seegrenzen

Kairo führt außerdem Gespräche mit Athen über eine Demarkierung der Seegrenzen im Mittelmeer – ein anderer Konfliktpunkt mit der Türkei. Am Ende könnte es so sein: Vier Mittelmeerländer haben sich auf ihre Wirtschaftszonen auf See geeinigt, und nur die Türkei steht gegen alle und weigert sich, die UN-Seerechtskonvention anzuerkennen, die den völkerrechtlichen Titel der Ausschließlichen Wirtschaftszone für Küstenländer eingeführt hatte.

Wie viel Gas tatsächlich in Zyperns Gewässern zu holen ist, bleibt derweil nur Spekulation. John Tomich, der Chef von Noble Energy, hat der zypriotischen Regierung erst dieser Tage einen Dämpfer versetzt, als er bezweifelte, dass genug Gas gefördert werden könnte, um den Bau einer LNG-Anlage auf Zypern zu rechtfertigen. Eine Pipeline nach Israel und Ägypten scheint derzeit wahrscheinlicher. Von den hochfliegenden Plänen einer "Ostmittelmeer-Pipeline" über Kreta und das griechische Festland weiter nach Italien – eine Projektidee, die auch von der EU-Kommission unterstützt wird – wird schon nicht mehr geredet. Nicht vergessen: CH4 ist auch wesentlicher Bestandteil der Magenwinde. (Markus Bernath, derStandard.at, 13.11.2014)