Zürich - Der Abschlussbericht der Fifa-Ethikkommission bezüglich der WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 droht zur Farce zu werden. Erst sprach der deutsche Richter Joachim Eckert die Ausrichter der beiden Fußball-Endrunden am Donnerstag von jeglichem Korruptionsverdacht frei, dann wetterte Michael J. Garcia gegen die "unvollständigen und fehlerhaften" Fakten der rechtsprechenden Kammer. Der frühere US-Staatsanwalt, der insgesamt 75 Zeugen befragt und mehr als 200.000 Seiten Material gesichtet hatte, plant Einspruch einzulegen. Damit würde just der Autor gegen den Auswerter des Berichts vorgehen.
Keine Korruption, kein Skandal, keine Neuvergabe - diese Auffassung hatte Eckert als Vorsitzender der Kammer am Donnerstagmorgen veröffentlicht. Die offizielle Untersuchung schien damit ins Leere gelaufen zu sein. Die Ethikkommission fand nach Eckerts Lesart keine Beweise, die eine erneute Ausschreibung und Vergabe der kommenden beiden Endrunden rechtfertigen würden. "Die Untersuchungskammer hat weder Vergehen noch Verstöße gegen die maßgebenden Bestimmungen und Regelungen festgestellt", heißt es in der von Eckert unterschriebenen Stellungnahme. Der Münchner Richter hatte Garcias Bericht ausgewertet und regt unter anderem eine Reform des Vergabeprozesses für künftige WM-Turniere an.
Die massive Kritik an beiden Turnieren wird, auch unabhängig von Garcias Kritik an der Schlussbewertung, freilich kaum abnehmen. Erst tags zuvor hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International dem Wüstenstaat Katar erneut ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt - immer wieder schockieren Berichte von unmenschlichen Arbeitsbedingungen am Persischen Golf die Weltöffentlichkeit. Russland 2018 war auch im Zuge der Ukraine-Krise und des Kurses von Präsident Wladimir Putin infrage gestellt worden.
Die Ethikkommission betonte, sich die Eröffnung von Ermittlungsverfahren gegen einzelne Fifa-Offizielle offenzuhalten. Namen wurden in der 42-seitigen Stellungnahme nicht genannt, der komplette "Garcia-Report" dürfte aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht veröffentlicht werden. Zwar seien "bestimmte Vorfälle" im Zuge der Bewerbungen identifiziert worden, teilte Eckert mit, jedoch seien "die Einflüsse auf die Vergabe als Ganzes weit davon entfernt, eine neue Ausschreibung notwendig zu machen". Getadelt wurden auch die unterlegenen Bewerber aus Australien und England - der Austausch von kleineren Geschenken schien durchaus üblich gewesen zu sein.
Die Endrunden in vier und acht Jahren waren am 2. Dezember 2010 erstmals im Doppelpack vergeben worden. Schon damals gab es an diesem Verfahren massive Kritik, weil so Absprachen und Stimmentausch Tür und Tor geöffnet worden waren. Fifa-Präsident Joseph S. Blatter, der im kommenden Jahr in seine fünfte Amtszeit gewählt werden will, wurde von der Ethikkommission ausdrücklich gelobt. Der 78-Jährige verdiene "Anerkennung" für die Kooperation der Fifa mit den Ermittlern, schrieb Eckert.
Das katarische Organisationskomitee sprach in einer relativ zurückhaltenden Reaktion von "einer fairen und angemessenen Bewertung, die die Integrität und Qualität unserer Bewerbung demonstriert". (sid, red, DER STANDARD, 14.11.2014)