Wien - Die Universität Wien feiert kommendes Jahr Geburtstag. Einen irgendwie halbrunden Geburtstag, nämlich den 650., aber allemal ein guter Grund, die Leistungen der ältesten und größten Universität Österreichs zu feiern und einer möglichst großen Öffentlichkeit zu vermitteln, sagte Rektor Heinz W. Engl am Donnerstag bei der Präsentation des umfangreichen Programms für das Jubeljahr 2015. Neben akademischen Symposien und Kongressen sollen auch breitenwirksame Veranstaltungen die Universität und ihre Bedeutung für die Gesellschaft ins Blickfeld rücken.
Neujahrsballett auf der Philosophenstiege
Man visiert dabei die ganz großen Zahlen und "weltweite Sichtbarkeit" an, etwa wenn das neue Jahr 2015 mit dem traditionellen Neujahrskonzert eröffnet wird, das der ORF heuer in 92 Ländern übertragen und damit rund 40 bis 50 Millionen Menschen erreicht hat. Für 2015 wurden die Ballettszenen in den ehrwürdigen Hallen der Alma Mater Rudolphina Vindobonensis gedreht, zum Beispiel auf der Philosophenstiege.
"Tatort" als Türöffner
Hohe Massentauglichkeit dürfte auch ein "Tatort" im März mit dem Titel "Grenzfall" bringen, in dem Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser an der Universität Wien ermitteln und den geneigten Zuseherinnen und Zusehern in der deutschsprachigen Tatort-Zone zumindest die Location der Hohen Schule an der Wiener Ringstraße vorführen.
Das Ziel hinter diesen Aufmerksamkeitsbringern und den ganzen anderen Aktionen aber sei, so betonte Rektor Engl, dass die Uni Wien das Jubiläumsjahr zu einer Kampagne nutzen wolle, "in der die Universität der Öffentlichkeit in vielfältiger Weise präsentiert werden soll. Feiern ist nicht der Hauptzweck. Wir wollen die Türen öffnen. Das Hauptmotto ist: Darzustellen, dass Grundlagenforschung, die letztlich die Steuerzahler finanzieren, wichtig ist und auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtig sein wird, weil Forschung immer wieder zu bahnbrechenden Ergebnissen geführt hat."
Als ein Beispiel nannte Engl, selbst Mathematiker, einen aus seiner Zunft: Der Mathematiker Johann Radon hat 1920 eine komplizierte mathematische Arbeit vorgelegt, die 50 Jahre später die Basis für die Computertomographie und die gesamte medizinische Bildverarbeitung ist." Für diesen langen Atem, der letztlich von der Gesellschaft finanziert wird, sollen die vielen Jubiläumsaktionen Verständnis vermitteln.
Geburtstagsfeier mit Präsident und Vizekanzler
Der eigentliche "Geburtstag" wird am 12. März mit einem feierlichen Festakt mit Bundespräsident Heinz Fischer und Vizekanzler bzw. Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) begangen. An diesem Tag des Jahres 1365 unterzeichnete Herzog Rudolf IV. (1339-1365) - Beiname "der Stifter" - die Gründungsurkunde der Universität Wien gemeinsam mit seinen Brüdern Albrecht III. und Leopold III. Damit war das Generalstudium mit Promotionsrecht in allen "erlaubten" Wissenschaften nach dem Vorbild der Pariser Universität möglich, schreibt die Uni auf ihrer Homepage. Die Stadt Wien gelobte erst einen Monat später, am 12. April 1365, die Unterstützung der Universität.
Päpstliche Bremse
Papst Urban V. jedoch verweigerte die Zustimmung für die Theologische Fakultät. Als Ursache wurde eine Intervention Kaiser Karls IV. vermutet, der die Konkurrenz für seine Universität in Prag fürchtete, aber auch die noch unzureichende finanzielle und räumliche Ausstattung könnte das päpstliche Nein zur theologischen Fakultät mitverursacht haben. Erst 1384 erfolgte die päpstliche Erlaubnis zur Errichtung der Theologischen Fakultät an der Universität Wien. Es war jenes Jahr, in dem Herzog Albrecht III. der Ausbau der Gründung seines Bruders zu einer Volluniversität mit allen vier Fakultäten: Theologie, Jurisprudenz, Medizin und Artes liberales (freie Künste, später Philosophische Fakultät) gelang. Ab dann wuchs die Universität Wien schnell. Sie wies im 15. Jahrhundert die höchsten Studierendenzahlen im römisch-deutschen Reich auf. Heute hat die Uni Wien rund 92.000 Studierende.
Neben den hochoffiziösen Feierakten wird auch ein internationaler Kongress (13. März 2015) zum Thema "Global universities and their regional impact", unter anderen mit EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP), die Uni Wien gebührend feiern.
Ein Tag der höchste Ehre
Statt des traditionellen "Dies Academicus", bei dem die Sub-Auspiciis-Doktorate verliehen werden, findet am 13. Mai 2015 ein "Dies Honorum" statt, der auch zur Überreichung von Ehrendoktoraten an sechs Wissenschafterinnen und Wissenschafter genutzt wird, darunter zum Beispiel der von den Nazis aus Österreich vertriebene US-amerikanische Chemiker und Nobelpreisträger Martin Karplus.
Flanieren mit Liessmann und Frischmuth
Ausstellungen im Botanischen Garten, den Forschungsgarten der Uni Wien, durch den die interessierte Öffentlichkeit auch zum Beispiel mit dem Philosophen Konrad Paul Liessmann oder Schrifstellerin Barbara Frischmuth flanieren können, im Naturhistorischen Museum ("Das Wissen der Dinge", 6. Mai bis 31. August), im Prunksaal der Nationalbibliothek ("Wien 1365 - Eine Universität entsteht", 6. März bis 3. Mai) und an der Universität Wien selbst ("Der Wiener Kreis - Exaktes Denken am Rand des Untergangs", 20. Mai bis 31. Oktober) finden sich ebenso im vollen Veranstaltungskalender wie die Gelegenheit zum Kauf einer von der Post aufgelegten Sonderbriefmarke.
Neben dem TV-Krimi im ORF gibt es auch inneruniversitär einen Filmschwerpunkt zum Thema "Menschenrechte. Academic Freedom in Motion" (10. bis 13. Juni) sowie "Science Fictions: Was weiß der Film von der Wissenschaft?" (15. bis 19. Juni). Alle 19 Fakultäten sind mit eigenen Programmangeboten im Jubiläumsjahr vertreten.
Ein Fest für alle
Aber es wird auch "richtig" gefeiert, etwa beim dreitägigen Fest für Studierende und Wissenschaftsinteressierte von 12. bis 14. Juni am Uni-Campus im Alten AKH.
Zwei Wochen später wird es dann sportlich, denn auf der Neuen Donau findet eine internationale Ruderregatta statt, unter anderem mit Teams aus Oxford und Cambridge. "Wir hoffen, dass sie nicht ihre ersten Mannschaften schicken, so dass die Uni Wien auch eine Chance hat", scherzte Rektor Engl bei der Präsentation. Die "Achter" der beiden britischen Elite-Unis sind berühmt durch das legendäre "Boat Race", das seit 1829 auf der Themse stattfindet.
Im Kampf gegen die "Männer-Uni"
Ein Aspekt, auf den bei der Präsentation im Senatssaal eine Abordnung der Hochschülerschaft der Uni Wien mit einem Transparent aufmerksam machte, wird auch im 650er-Programm behandelt. Die "Männer-Uni" Wien, die ein "Männerbund seit 1365 sei, wie die ÖH kritisierte und dementsprechend Maßnahmen "gegen Sexismus, Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus und Homophobie" forderte, soll bald wirklich Geschichte sein. Und Rektor Engl sagte denn auch: "Ja, bis Ende des 19. Jahrhunderts hat die Aussage von der Männer-Uni 100-prozentig gestimmt und bis weit ins 20. Jahrhundert noch weitgehend. Erst seit 20 Jahren kann man die Uni als Männer- und Frauen-Uni bezeichnen. Es gibt hier großen Nachholbedarf - auch in der Darstellung."
"Kein Wohlfühltext" von Elfriede Jelinek
Das soll im Rahmen der Feierlichkeiten zumindest symbolisch gemacht werden, kündigte Professorin Gabriela Hauch als Sprecherin des Fakultätsschwerpunkts Frauen- und Geschlechtergeschichte bei der Präsentation des Schwerpunkts zur Geschlechtergerechtigkeit an: "Die Uni will ein Zeichen setzen." Zum Beispiel mit Unterstützung einer Literaturnobelpreisträgerin. Elfriede Jelinek hat der Uni Wien nämlich ein besonderes Geschenk gemacht: einen neuen Text mit dem Titel "Schlüsselgewalt". "Es ist kein Wohlfühltext", sagte Gabriella Hauch: "Er geht sehr strukturell mit den Geschlechterverhältnissen an der Uni Wien um." Und er wird im Rahmen der Aktion "Frauen AUS/SCHLUSS" am 10. Juni im Arkadenhof von Uni-Angehörigen als Sprechchor aufgeführt.
Goldene Frauenköpfe im Arkadenhof
Die noch immer weitreichende Unsichtbarkeit von Frauen an den Universitäten, vor allem in den höheren Hierarchien, aber auch den Ergebnissen ihrer Forschung, soll nicht nur die Gender-Studies-Pionierin Angela Davis mit einem Vortrag und bei einem Workshop thematisieren, sondern auch eine besondere Ausstellung der Künstlerin Marianne Maderna. Sie wird 30 goldene Frauenköpfe im "Männerhof" (Hauch) aufstellen. Derzeit wird im Arkadenhof mit 154 Denkmälern in Form von Büsten und Tafeln 153 Männern aus der Wissenschaft und einer Frau - Marie von Ebner-Eschenbach mit einer Tafel - gedacht.
Den Schlusspunkt des "Jubiläumsjahres" setzt dann ein Festakt im Rathaus der Stadt Wien am 29. Oktober 2015. (Lisa Nimmervoll, derStandard.at, 13.11.2014)