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Thailands Premier und Putschführer Prayuth Chan-ocha (li.) traf am Donnerstag beim Asean-Gipfel auch US-Präsident Barack Obama. Seine Regierung sieht ihre Akzeptanz im Ausland steigen.

EPA/BARBARA WALTON

Kritischer Beobachter: Politologe Pitch Pongsawat.

Foto: Manuel Escher

Naypyidaw/Bangkok/Wien - US-Präsident Barack Obama hat bei seinem Besuch des Asean-Gipfels in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw am Donnerstag auch freie Wahlen im Gastgeberland Myanmar (Burma) zum Thema. Ähnliches wurde vonseiten der regulären Teilnehmer beim Gipfel der Südostasaiatischen Staatengemeinschaft auch am letzten Tag des Treffens nicht erwartet. Und das, obwohl es in der Region zuletzt Rückschritte gab. Stattdessen sollten vor allem wirtschaftliche Fragen im Zentrum stehen, etwa der für kommendes Jahr geplante Binnenmarkt in den zehn Mitgliedsstaaten.

Die Asean, die sich mit ihren rund 620 Millionen Einwohnern selbst gelegentlich als asiatische EU sieht, verlange in diesen Bereichen wenig von ihren Mitgliedern, sagte Pitch Pongsawat, Professor an der Chulalongkorn-Universität Bangkok, jüngst bei einem Besuch am Institut für Internationale Entwicklung der Uni Wien zum STANDARD.

Der Politologe gilt als kritischer Kommentator der Politik in seiner Heimat Thailand, wo im Frühjahr nach monatelangen Großprotesten von Oppositions- und Regierungsanhängern das Militär die Macht übernahm. "Die EU soll unser Modell sein - aber es gibt in der Asean den Grundsatz der konstruktiven Zusammenarbeit mit allen. Im Grunde heißt das: Ihr könnt im Inland machen, was ihr wollt".

Konkurrent China

Doch auch das Vertrauen in westliche Staaten sei zuletzt in Thailand gesunken. Vor allem, dass der im Sommer zum Premier erkorene Putschführer Prayuth Chan-ocha ungehindert Mitte Oktober den Asien-Europa-Gipfel (Asem) in Mailand besuchen konnte, habe Singlalwirkung gehabt. "Das heißt zwar nicht, dass die Europäer ihn akzeptiert haben. Aber sie konnten seinen Besuch ganz offenbar nicht verhindern".

Ganz besonders, so Pitch, fehle der Druck auf Thailands Wirtschaft. Grund seien auch geopolitische Interessen: Die Konkurrenz zu China, das seit dem Coup kräftiger im Land investiert, sei groß. Das alleine bewege einige Staaten dazu, beide Augen zuzudrücken. Aber auch der Tourismus spiele eine wichtige Rolle. Die Regierung glaube etwa, "dass die Touristen das Kriegsrecht lieben, weil es Sicherheit schafft". Wegen der Unruhen ist die Zahl der Touristen in Thailand im laufenden Jahr von 26 auf 25 Millionen zurückgegangen, wie am vergangen Mittwoch bekannt wurde. Und nicht von ungefähr, so Pitch, hätten Demonstranten immer wieder Flughäfen und Touristenmärkte besetzt.

"Sie wissen, dass sie verlieren würden"

So oder so: Eine Rückkehr zu repräsentativen Wahlen werde es in Thailand so schnell nicht geben, glaubt Pitch. Der Coup sei schließlich nicht von den Generälen ausgegangen, sondern von antidemokratischen Kräften im Land. "Es war nicht so, dass das Militär unbedingt die Macht wollte. Sie haben sich so professionell verhalten, wie es ging." Stattdessen hätten die Gegner von Premierministerin Yingluck Shinawatra durch Zuspitzen der Proteste ein Einschreiten erzwingen wollen.

Und nun gebe es so einfach kein Zurück: "Sie wissen, dass sie bei neuen Wahlen wieder verlieren würden", sagt Pitch. Zudem laufe gerade ein Umbau des Staates. Anders als bei früheren Coups geschieht dies auch durch den Austausch von Politikern auf regionaler Ebene. So will das Militär offenbar die Gegensätze im Land überwinden – daher treffe es auch Politiker der konservativen Demokratischen Partei, die die Proteste im Frühjahr getragen hatte.

Probleme auf beiden Seiten

Wie die Menschen im Land die aktuelle Lage sähen, sei nur schwer zu überprüfen. "Es ist kein offener Widerspruch zu sehen. Aber deswegen können wir nicht zum Schloss kommen, dass die Leute den Putsch befürworten." Die Repressionsmaßnahmen ließen vermuten, dass die Regierung sich ihrer Unterstützung unsicher sei. "Die Junta sagt, dass es nun keine Gewalt mehr gibt. Aber sie sagt nicht, die Leute dafür ihre Freiheit aufgeben mussten"

Völlig unschuldig an der aktuellen Misere seien auch die alten Regierungen von Thaksin Shinawatra und dessen Schwester Yingluck Shinawatra nicht gewesen, die sich mit Versprechen der Umverteilung und der politischen Teilhabe der Vertrauen der ärmeren, meist ländlichen Schichten im Land erworben hatten. "Die letzte Regierung war auch ein Teil der Elite, die versucht hat, sich durch populistische Politik zu legitimieren."

Vom "positiven Moment der Teilhabe" sei am Ende wenig geblieben. "Man kann Korruptionsvorwürfen nicht mit dem Argument der Legitimität begegnen. Man muss zeigen, dass man es nicht getan hat". Für Thailand gelte am Ende das gleiche wie für viele andere Staaten: "Mit der Demokratie ist es schwierig. Man muss ständig an ihr arbeiten. Man kann sie auch verlieren. Es ist wie mit den Flugzeugmeilen: Heute hat man eine Goldkarte – aber morgen kann alles weg sein." (Manuel Escher, DER STANDARD, 14.11.2014)