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Vom Wohnzimmer in Austin, Minnesota, in die Bestsellerlisten: Amanda Hocking vertrieb ihre Fantasy-Romane anfangs bloß als E-Books. Nun ist sie Millionärin. Eine Erfolgsstory, die jedoch längst nicht für alle E-Publizisten gilt.

Foto: Robb Long/AP/dapd

Es ist leichtverdauliche Literatur, die Amanda Hocking schreibt - und sehr, sehr populäre. "Trotz der Nähe des salzig duftenden Meeres roch Thea das Blut, das an ihr klebte. Mit jedem Atemzug erfüllte sie der Geruch mit einem vertrauten Hunger, der sie bis in ihre Träume hinein verfolgte ..." So klingt also Erfolg. Hocking wurde mit ihren Vampir-Romanen die erfolgreichste Self-Publishing-Autorin der Welt. Acht Jahre lang probierte es die US-Amerikanerin bei Literaturagenten und Verlagen und wurde ein ums andere Mal abgewiesen. Dann entschied sie sich, ihre Bücher selbst zu verlegen.

Sie lud acht ihrer Romane auf Amazons E-Book-Plattform hoch, aufwändig formatiert, sodass sie auf einem Kindle-Reader ansprechend gut aussehen, und brachte ihr Werke zu Preisen zwischen 99 Cent und 5,74 US-Dollar auf den Markt. Vier Monate später kündigte sie ihren Job als Altenbetreuerin. Sie verkaufte monatlich über 100.000 Stück und verdiente daran bisher geschätzt weit über zwei Millionen US-Dollar.

Der digitale Wandel hat nach der Musikbranche nun auch den Buchmarkt voll erfasst. Musiker verdienen immer weniger mit dem Verkauf ihrer Werke. Nun also der Buchmarkt, das Liebkind der Intellektuellen und Kulturbewahrer. E-Books, Internet-Vertrieb, soziale Medien - welcher Autor braucht angesichts dieser smarten, günstigen Werkzeuge überhaupt noch Verlage, um das Werk an den Kunden zu bringen?

Gewiss ist: Die neuen Online-Tools helfen unbekannten Schriftstellern, bei etablierten Verlagen unterzukommen. Die Britin E. L. James veröffentlichte ihr erstes Werk mit dem Namen The Master of the Universe 2009 als E-Book. Angesichts des Erfolgs sprang ein Verlag auf und brachte das Werk unter einem neuen Namen heraus: Fifty Shades of Grey. Der Rest ist bekannt: Mittlerweile wurde die Trilogie über 100 Millionen Mal verkauft. Dass die Kritiken für diese Literatur in der Regel - vorsichtig formuliert - gemischt ausfallen, kann E. L. James als auch ihrer Kollegin Amanda Hocking gleichgültig sein. Parallel zur Schwemme an neuen Titeln, die nur digital erscheinen, nimmt auch im Print-Bereich die Zahl der Self-Publishing-Bücher zu: 2013 erschienen 18.000 Titel und damit 23 Pro- zent aller Neuerscheinungen in Deutschland im Eigenverlag.

Autor sucht Leser

Einer, der das früh erkannt hat, ist der deutsche Verlag Droemer Knaur, der in Kooperation mit dem Rowohlt-Verlag die Plattform Neobooks.com betreibt, dem eigenen Vernehmen nach Marktführer in Sachen E-Book-Self-Publishing im deutschsprachigen Raum. Ähnlich wie bei Amazon können die Titel hochgeladen werden, zudem besteht die Chance, in das reguläre Verlagsprogramm aufgenommen zu werden. Regelmäßig werden die erfolgreichsten Texte vom verlagsinternen Lektorat gesichtet - und manchmal als Taschenbuch herausgebracht.

Der deutsche Indie-Autor Cahal Armstrong hat sich bewusst gegen einen Verlag entschieden. Eigentlich brauche es nur zwei Dinge, sagt er: "Schriftsteller und Leser". Selbstpublizierte Bücher seien eine Bereicherung der Leselandschaft. Was ihn zögern ließ, war eher der schlechte Ruf sogenannter Indie-Autoren. Tatsächlich sind jene Bereiche, in denen im Eigenverlag erschienene Bücher erfolgreich sind, nicht jene, die Literaturnobelpreise gewinnen. Armstrong etwa schreibt Science-Fiction- und Fantasy-Bücher, das zieht die Massen an. Seine Bücher verkaufen sich auch gedruckt.

Es ist also einfach geworden, Bücher zu verlegen. Viel härter ist es, seine Leser zu finden. Armstrong hat keinen Verlag, der ihn mit Werbemitteln unterstützt, seine Bücher an Journalisten verschickt oder ihn auf Buchmessen oder in Talkshows unterbringt. Stattdessen stehen auf seiner Website Links zu sozialen Medien: "Cahal auf Tumblr", "Cahal auf Pinterest". Er bittet seine Leser, die Bücher auf Amazon positiv zu rezensieren, so sie ihnen gefallen. Außerdem schreibt er eine Fortsetzungsgeschichte, die er jeden Freitag auf Facebook veröffentlicht. Ein User namens Frank hat unter eine Geschichte gepostet: "Ich komme leider nicht hinterher beim Lesen der Filetstücke, die so verteilt bei FB liegen. Ich hoffe auf ein Sammeldokument!" Zweieinhalb Stunden später, um halb fünf Uhr früh, antwortet der Autor: "Hallo Frank! Ich das Problem mal gelöst" - mit einem Link zur Geschichtensammlung auf seiner Website.

Das Beispiel zeigt: Bücher in Eigenregie zu veröffentlichen und damit auch noch erfolgreich zu sein ist harte Arbeit. Es ist viel mehr zu tun als lediglich eine Datei irgendwo hochzuladen. Das Cover bleibt das erste Verkaufsargument, es muss professionell gestaltet sein. Ein Lektorat ist wichtig, denn niemand will Tipp- und Rechtschreibfehler in Kauf nehmen, selbst wenn der Text nur wenige Euro gekostet hat. Und ja, natürlich ist der Preis eine wichtige Komponente.

Hilfreiche Buchpreisbindung

Meist sind im Eigenverlag publizierte E-Books deutlich günstiger als solche von konventionellen Verlagen. Die werden im deutschsprachigen Raum dank der Buchpreisbindung davor bewahrt, in einen ruinösen Preisdumping-Wettbewerb einzusteigen. Ende Oktober wurde dieses Gesetz auf E-Books ausgeweitet. Es besagt: Jede Form eines Buches muss überall zum gleichen Preis verkauft werden. Das Hardcover kostet dann beispielsweise 18,99 Euro, das E-Book 12,99. Den Preis bestimmt der Verlag. SPÖ-Kultursprecherin Elisabeth Hakel sagt: "Schriftsteller müssen von ihrer Arbeit leben können." Cahal Armstrong hat sie damit wohl nicht gemeint.

Selfpublisher fristen noch immer ein Schattendasein. Sie sind zwar in der digitalen Welt erfolgreich, verkaufen hunderttausende Bücher, scheinen aber noch immer nicht in den gängigen Bestsellerlisten auf und stehen auf Buchmessen am Rand. Bei der diesjährigen Wiener Buchmesse Buch Wien gibt es keinen eigenen Stand für sogenannte Indie-Autoren, man wird lediglich an den Stand der Frankfurter Verlagsgruppe verwiesen - die würden schon E-Books drucken, allerdings nur, wenn der Autor für die Exemplare bezahlt. Indie-Autoren haben keine Lobby. In Deutschland dürfen sie dem Verband deutscher Schriftsteller nicht beitreten, also wird sich an der Lobby so schnell auch nichts ändern.

Kürzlich wurde angekündigt, dass die Verlagsförderung in Österreich um zehn Prozent, auf 2,2 Millionen Euro, erhöht werde. Sie schützt die bestehenden Verwertungsketten ebenso wie die Buchpreisbindung. Das hat sein Gutes: Verlage fahren in der Regel ein breites Programm. Mit publikumswirksamen Kassenschlagern wird anspruchsvolles Nischenprogramm querfinanziert. Das erhöht die Chancen unbekannter Autoren, sich ein Publikum aufzubauen. Indie-Autoren tun sich aber auch hier schwerer: Für sie gibt es keine staatliche Förderung. Und wer nur von seinen Verkäufen leben will, muss im Moment noch bei publikumswirksamer Unterhaltung bleiben. Wie Amanda Hocking oder Cahal Armstrong. (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, 15.11.2014)