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Kalkulierbare Gefahr für Einzelkämpfer - dank eines Seils.

Foto: EPA/ MOHAI

Der Stresstest für Banken ist schon fast Routine geworden. Dass sich aber jedes Unternehmen einem solchen aussetzen sollte, "wird leider sehr oft übersehen", sagt Christoph Krischanitz von der Versicherungs- und Finanzmathematischen Beratungs GesmbH Arithmetica. Somit würden vor allem im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe immer wieder Risiken übersehen, die das Unternehmen gefährden können.

Ein verstärkter Ausfall der Mitarbeiter - etwa in der Grippezeit -, eine defekte Produktionsmaschine, Probleme mit dem Hauptlieferanten oder ein plötzlicher Einbruch des Umsatzes. "Das sind Dinge, die ein kleines Unternehmen schnell bedrohen können", sagt Krischanitz. Dennoch seien viele Betriebe auf solche Szenarien nicht vorbereitet.

Bekannte und Unbekannte

Neben der Frage, ob und wie Risiko in einem Unternehmen berücksichtigt werde, "müssen sich Unternehmer auch fragen, welchen Wert Risiko ökonomisch oder bilanziell hat", sagt Krischanitz. Unterschieden werden dabei die "known knows" (jene Risiken, die man wissen kann), die "known unknowns" (wogegen man meist eine Versicherung hat) und die "unknown unknowns", die überraschend eintreten. Zu diesen Risiken zählt Krischanitz etwa eine Naturkatastrophe oder einen Börsencrash - "alles, von dem man im Vorhinein glaubt, nicht davon betroffen zu sein". Wichtig seien hier auch die Punkte, wer wann worüber sofort informiert werden muss und wer rasch vor Ort sein muss, um die notwendigen Entscheidungen zu treffen.

In der Praxis zeige sich, dass viele Betriebe bei den "known knows" stehen blieben. Sich gegen jene Dinge zu wappnen, die kalkulierbar seien, sei zwar auch gut und wichtig, aber zu wenig. Am besten wäre es laut Krischanitz, "wenn sich Betriebe regelmäßig Stressszenarien aussetzen würden". Der Vorteil der wiederholten Tests sei, dass es dann immer auch Vergleichswerte zu den Vorjahresergebnissen gibt und man erkennen könne, welche Schwachstellen schon verbessert worden sind und wo sich noch Handlungsbedarf auftut. "Was habe ich geprüft, was hat die Wirklichkeit gebracht, muss mein Test verändert oder angepasst werden?" Das seien Fragen, die erst in der Rückschau beantwortet werden könnten.

Aufgesetzt werden könne ein betrieblicher Stresstest in mehreren Varianten. Von der Prüfung einzelner Risikofaktoren (Sensitivitätsanalyse) bis hin zum Test von zufällig gewählten Szenarien in einer großen Zahl (stochastische Simulation). Risiko aufzuzeigen werde fälschlicherweise immer noch oft mit Schwäche gleichgesetzt. Letztlich aber könne die Missachtung von Gefahren auch einen Verstoß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes darstellen.

Verdrängte Konsequenzen

Die Krux bei der Risikoanalyse ist laut Krischanitz, dass man über die Bedrohungen in einem Betrieb zwar oft Bescheid wüsste, die Konsequenzen aber gerne verdrängt würden. Das fange schon im kleinen Bereich an. "Schmeißt ein Betrieb ein paar Mitarbeiter hinaus, die im System Abfertigung alt sind, stellt sich schnell die Frage, ob die Abfertigungen gezahlt werden können", nennt Krischanitz ein Beispiel, wodurch kleine Unternehmen rasch in die finanzielle Bredouille geraten könnten. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, 14.11.2014)