Besucher können ihren eigenen Körper scannen lassen.

Foto: Micropia

Durch die Technik werden die normalerweise unsichtbaren Lebewesen sichtbar gemacht.

Foto: Micropia

Schon im Aufzug geht es los. "Sie sind überall - auf dir, in dir. Aber du siehst sie nicht", verkündet eine unheilvolle Stimme.

Wir schauen an die Decke, wo ein Kamerabild an das Auge des Besuchers heranzoomt und die Mikroorganismen zeigt, die auf unseren Wimpern kleben und leben. Eigentlich sehen sie ganz nett aus. Wie quallenartige Wesen in einem Aquarium. "Insgesamt befinden sich Billionen von Mikroben in und auf dir", eröffnet uns die Stimme. Gut und gerne eineinhalb Kilogramm. "Die schleppt jeder Erwachsene mit sich herum", sagt Haig Balian beim Verlassen des Aufzugs. Mit einer ausholenden Handbewegung bleibt er stehen: "Willkommen in Micropia!"

Begeisterung für Mikrobiologie

Der 60-Jährige ist Direktor des ersten Mikrobenmuseums der Welt in Amsterdam. Das Licht ist gedämpft, aus den Lautsprechern ertönt leise dramatische Musik. Überall stehen hellerleuchtete Vitrinen und Tische, an denen sich Besucher über Mikroskope beugen. An den Wänden sind Videos zu sehen, Tiefseeaufnahmen, so scheint es, mit noch mehr schönen quallenartigen Wesen.

Ein breites Publikum für die Welt der Mikrobiologie zu begeistern, das ist das Ziel des Museumsdirektors. Das Unsichtbare sichtbar machen - mithilfe von modernen 3-D-Mikroskopen und HD-Technologie. Weil wir den Mikroorganismen unser Leben verdanken: "Die Hälfte des Sauerstoffs auf Erden wird durch Mikroorganismen produziert", stellt Balian klar, als er auf den Bodyscanner zusteuert. Dort kann man messen lassen, wie viele Mikroben an einem haften.

Schmusen mit Mikroben

Vom Kiss-o-meter ein paar Schritte weiter tönt Gelächter. Dort hat sich gerade ein Pärchen auf das große rote Herz auf dem Boden gestellt und sich geküsst. Eher verhalten allerdings, wegen der vielen Zuschauer. Auf dem Videoschirm hinter ihm rattern dennoch sechsstellige Zahlen: Eine Million Mikroben haben die beiden soeben ausgetauscht. Beim Extremophilentheater zeigt sich, was diese kleinsten Lebewesen alles aushalten können. Und wo sie groß rauskommen könnten: angefangen bei Abwasserreinigung und Abfallbeseitigung, über die Entwicklung von Medikamenten bis hin zur Gewinnung von Biogas.

"Extremophilen sind Organismen, die in extremen Umstände leben können", erklärt Balian, als er hinter einem schweren Vorhang von 3-D-Landschaften umgeben ist. Einmal steht er mitten in der Antarktis, bei minus 50 Grad, dann wieder tief unten auf dem Meeresboden. Oder im Weltall. So wie das Bärtierchen, das 2008 eine Reise ins All überlebte. Im Museum steht eine zwei Meter hohe Plastik von ihm, da sieht es wirklich aus wie ein Bär. In Wirklichkeit misst es noch nicht einmal einen Millimeter. Und wie die meisten Mikroorganismen ist es völlig ungefährlich.

Die gefährlichen zeigt Micropia nur als Modell oder im Film. Eines fällt besonders auf, es erinnert an kunstvoll geformte Eiskristalle. "Vorsicht!", warnt Balian. Denn hier geht es um das gefürchtete Ebolavirus. Wunderschön, aber lebensgefährlich. (Kerstin Schweighöfer aus Amsterdam, DER STANDARD, 15.11.2014)