Abuja - Kämpfer der Islamistengruppe Boko Haram haben ihren Vormarsch im Nordosten Nigerias fortgesetzt. Wie Augenzeugen am Freitag der Nachrichtenagentur AFP berichteten, eroberten sie die Stadt Chibok im Bundesstaat Borno. Dort hatte die Gruppe im April 280 Schülerinnen entführt, von denen mehr als 200 bis heute verschwunden sind.

"Chibok wurde von Boko Haram eingenommen", sagte der christliche Geistliche Enoch Mark, dessen Tochter und Nichte zu den seit April vermissten Schülerinnen gehören. Die Islamisten hätten die Stadt am Donnerstagnachmittag angegriffen, alle Telefonmasten zerstört und die Einwohner in die Flucht getrieben, berichtete der Senator der Region, Ali Ndume. Deshalb habe es einige Zeit gedauert, bis die Nachricht von der Einnahme Chiboks durchgedrungen sei. Wie es in dem Ort nach der Eroberung durch die Boko-Haram-Kämpfer aussehe, könne niemand sagen.

Zahlreiche Orte erobert

Boko Haram hatte in den vergangenen Monaten zahlreiche Dörfer und Städte in den Bundesstaaten Adamawa, Yobe und Borno eingenommen. Vor ihrem Angriff auf Chibok eroberten Hunderte Kämpfer am Donnerstag bereits zwei Dörfer im benachbarten Bundesstaat Adamawa und stehen damit hundert Kilometer vor dessen Hauptstadt Yola. Mit Unterstützung örtlicher Milizen vertrieb die nigerianische Armee dagegen nach Regierungsangaben die Islamisten aus der dortigen Wirtschaftsmetropole Mubi. Boko Haram hatte die Stadt vor zwei Wochen erobert und sie in Madinatul Islam ("Stadt des Islams") umbenannt.

Boko Haram, was übersetzt in etwa heißt "westliche Bildung ist Sünde", kämpft seit Jahren mit Gewalt für einen islamischen Staat im armen und mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias. Seit 2009 tötete die Gruppe bei Anschlägen und Angriffen auf Polizei, Armee, Kirchen und Schulen mehr als 10.000 Menschen.

Weltweit Schlagzeilen machten die Islamisten im April mit der Entführung der Schülerinnen aus Chibok. Ein Teil der Mädchen konnte später fliehen, 219 Mädchen blieben jedoch in der Gewalt von Boko Haram. In einer Video-Botschaft Anfang November behauptete deren Führer Abubakar Shekau, alle verschleppten Mädchen seien verheiratet und zum Islam übergetreten.

Angaben der Regierung vom vergangenen Monat, sie habe einen Waffenstillstand mit Boko Haram sowie die Freilassung der Geiseln ausgehandelt, wies Shekau am vergangenen Sonntag in einer Videobotschaft zurück. Gleichzeitig verkündete er, im Norden Nigerias ein "Kalifat" errichtet zu haben.

Einen Tag später tötete ein mutmaßlicher Selbstmordattentäter der Gruppierung in einer Schule von Potiskum im Bundesstaat Yobe 58 Schüler. Nigerias Regierung steht unter scharfer Kritik wegen ihrer Unfähigkeit, die Menschen gegen den Terror von Boko Haram zu schützen.