Der Trawler Helen Mary (Firmensitz: Niederlande) fährt unter deutscher Flagge. 2014 fischte er auch vor Afrika. Er kann etwa 6000 t Fisch laden.

Foto: Greenpeace / Pierre Gleizes

Wien - Bis zu 600 Meter lang sind die Schleppnetze, die Riesentrawler für den modernen, effizienten Fischfang hinter sich herziehen. Alles, was in die bis zu 200 × 100 Meter große Öffnung passt, hat keine Chance: In fischreichen Hochseegewässern beträgt der Tagesfang eines Riesenschiffes bis zu 300 Tonnen. In 250-Gramm-Thunfisch-Dosen umgerechnet sind das 1,2 Millionen Portionen. Oder das, was etwa 50 kleinen Fischereibooten in Westafrika gemeinsam pro Jahr ins Netz geht.

Für Greenpeace sind diese riesigen Trawler hauptverantwortlich für die globale Überfischung. Im neuen Report "Fischereimonster - Der Fluch der Meere" zählt die Umweltschutzorganisation 20 dieser schwimmenden Fischfabriken auf, die allesamt schon unter EU-Flaggen gesegelt sind. Sie sind oft wochenlang auf den Weltmeeren unterwegs und können bis zu 6000 Tonnen Fisch lagern.

Gebietsweise dramatisch überfischt

Weil die Bestände vor Europa gebietsweise bereits dramatisch überfischt sind, weichen die EU-Trawler dank bilateraler Abkommen in fischreiche Gewässer vor Westafrika oder in den Südpazifik aus. Auch dort gerät die Fischpopulation aber unter Druck. Und mit ihr die lokalen Kleinfischer, die in Küstennähe immer weniger Fische in ihren Netzen finden. "Diese Riesenschiffe sind globalisierte, industrielle Konzerne", sagt Meeresexpertin Nina Thüllen, die maßgeblich am Greenpeace-Report mitgearbeitet hat, dem STANDARD.

Laut einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) von 2014 sind mehr als 90 Prozent der weltweiten Fischbestände bis an die Grenze genutzt (61,3 Prozent) oder überfischt (28,8 Prozent.). Im Mittelmeer seien sogar mindestens 96 Prozent der bodennahen Arten überstrapaziert, berichtete die EU-Kommission im Juni. Fische wie Sardinen und Sardellen, die dort in mittleren Tiefen leben, seien zu mehr als 70 Prozent überfischt.

Der Ausbau der Fischereiflotte wurde von 1994 bis 2006 mit EU-Geldern in Höhe von 890 Millionen Euro subventioniert - auf ein Niveau, das laut Greenpeace nachhaltiges Fischen nicht mehr möglich macht. Den Großteil der ausgelobten Fangquoten bekamen nicht kleine, lokale Fischerboote zugeschrieben, die 80 Prozent der Flotte ausmachen, sondern Konzerne, die mit den Riesentrawlern global operieren. Das niederländische Schiff Cornelis Vrolijk, das unter britischer Flagge fährt, hält allein 23 Prozent der englischen Fischereiquote.

Neue EU-Fischereipolitik

Das soll sich mit den neuen Regelungen der EU-Fischereipolitik ändern. In den kommenden Wochen sollen die Mitgliedsstaaten hauptsächlich jenen Unternehmen Fangquoten für 2015 zuteilen, die nachhaltig fischen. Bedrohte Bestände sollen sich bis 2020 erholen können. "Auf dem Papier sind das gute Absichten", sagt Thüllen. "Einige Länder haben aber wieder Quoten genannt, die sich nicht an wissenschaftliche Richtlinien für eine Erholung von Fischbeständen halten."

Auch der Umgang mit dem sogenannten Beifang soll verbessert werden - also jener Anteil im Netz, der unerwünscht ist. Das können Fische einer Art sein, die nicht durch eine Fanggenehmigung des Schiffes gedeckt ist, oder auch Delfine, Schildkröten, Rochen und Haie. Sie landen oft mehr tot als lebendig wieder im Meer. Die FAO schätzt, dass etwa jeder vierte gefangene Fisch Beifang ist. Laut EU soll künftig Beifang von Fischen angelandet werden. Ein Verbot von Grundschleppnetzen konnte aber nicht durchgesetzt werden.

Fischereipolitik vor Herausforderungen

Die EU-Regeln stellen die Fischereipolitik aber auch vor Herausforderungen. Denn Riesentrawler können trotz eines europäischen Firmensitzes ihre EU-Flaggen gegen jene von Ländern austauschen, die weniger Regeln und Kontrollen haben. Auch Schiffe aus China, Russland oder Thailand suchen weltweit nach Fischen - und das laut Thüllen oft wenig transparent. Die EU müsse da eine Vorreiterrolle einnehmen. (David Krutzler, DER STANDARD, 15.11.2014)