Der Weltfußballverband (Fifa) hat neben Zürich neuerdings einen zweiten Sitz: die Nesseln. Schuld daran ist seine Interpretation des Ermittlungsberichts in Sachen WM-Vergaben an Russland (2018) und Katar (2022). Die unabhängige Fifa-Ethikkommission - die UNABHÄNGIGE FIFA-ETHIKKOMMISSION - hat den Begriff Schönmalerei neu definiert. Eine 42-Seiten-Stellungnahme wurde als Conclusio des 350-Seiten-Berichts von Chefermittler Michael Garcia verkauft. Dieser, ein Ex-Staatsanwalt aus New York, erhebt empört Einspruch.

Katar sponserte den afrikanischen Fußballkongress in Angola und zahlte zusätzlich 1,8 Millionen Dollar, um dort seine WM-Bewerbung zu bewerben? Unabhängige Fifa-Ethikkommission: alles im Rahmen. Katar-Funktionär Mohamed Bin Hammam, wegen Korruption lebenslang gesperrtes Ex-Mitglied der Fifa-Exekutive, überwies mehrere Millionen Dollar an Funktionäre weltweit? Unabhängige Fifa-Ethikkommission: Bin Hammam hatte persönliche Gründe. Garcia kritisiert Fifa-Präsident Joseph S. Blatter? Unabhängige Fifa-Ethikkommission: Blatter verdient "Anerkennung" für die Kooperation mit den Ermittlern.

Es wäre schräg, würde Blatter - die personifizierte Intransparenz - über die Katar-WM stolpern, die er selbst nicht forciert hat. Eine Fifa-Erneuerung ist nur vorstellbar, wenn 2015 eine fünfte Blatter-Amtszeit verhindert wird. Dann hätten die Nesseln vielleicht ausgedient. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 15.11.2014)