Dass Abgeordnete zum Nationalrat des Öfteren eine ungebührliche Neugier in Sachen der Vollziehung an den Tag legen, ist bekannt. Dann stellen sie freche Anfragen an den zuständigen Minister oder an die zuständige Ministerin, deren Antworten im Rahmen der zulässigen Verspätung und in einem Stil, der innere Anteilnahme oft vermissen lässt, auch eintreffen. Dieser Gunst konnte sich der Abgeordnete Gerhard Deimek noch nicht erfreuen. Umso reichlicher fiel die innere Anteilnahme in der Antwort aus, die ihm etwas überraschend nicht aus dem Wirtschaftsministerium, dafür aber aus Schanghai zuteil wurde.

Dazu muss man wissen, dass der Abgeordnete Deimek die Bänke der FPÖ ziert. Nun sind Freiheitliche Spezialisten im Wittern von Unrat jeder Art außer dem eigenen (das würde sie überfordern) und von besonderem Engagement, wenn es - wie man spätestens seit freiheitlichem Walten in Seibersdorf weiß - um Fragen der Forschung geht. In diesem Zusammenhang ist ihm sein Interesse für die Umstände zum Verhängnis geworden, die die Geschäftsführerin der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), Frau Henrietta Egerth (eine von zweien), ins ferne Singapur verschlugen.

Damit kam er beim Chefredakteur des "Kurier" gar nicht gut an. Der erteilte dem vorwitzigen Volksvertreter ganz als Kavalier der alten Schule und Ehrenschild der Dame, die Forschung noch im Kabinett Bartenstein gelernt hat, vor einer Woche in seinem Blatt eine Abfuhr, die sich gewaschen hat, und weil es rasch zu handeln galt, gleich aus Schanghai. Dort nämlich hat er sich über deren Tätigkeit in der Gegend informiert, wobei er sein Insiderwissen gern an die Leser weitergab: Ohne erfolgreiche Forschung kein Wohlstand. Das klingt schlicht, ist aber so.

Als Spezialist für das Schlichte, das so ist, galt es, die Unverfrorenheit Deimeks mit dem Opfergang zu kontrastieren, den die Geschäftsführerin für die österreichische Forschungsförderung in Asien auf sich nimmt. Dass sie ihren 7-jährigen Sohn mitgenommen, aber für ein Kindermädchen kein Visum bekommen hat, erzählt sie nur nebenbei. Sie musste in Singapur Schule und Betreuung finden, das sei nicht einfach, aber der FFG - der? - müsse jetzt in Asien präsent sein.

Einem FPÖ-Abgeordneten ist die asiatische Präsenz der FFG in Gestalt von Frau Egerth natürlich egal, der hat nur Niedriges im Sinn. Nicht aber Helmut Brandstätter. Im Nationalrat bringt der FPÖ-Abgeordnete eine parlamentarische Anfrage ein, wo er unter anderem wissen will, was denn der 10-monatige Aufenthalt von Frau Egerth in Singapur koste. Was er bringt, will der Politiker nicht wissen. Wenn man nur ein bisschen Neid auf jemanden lenken kann, der die weite Welt erkundet, ist der politische Auftrag schon erfüllt.

Reflexartig sofort an Neid auf jemanden, der die weite Welt erkundet, zu denken, nur weil ein Abgeordneter, und sei 's ein blauer, wissen will, was die Welterkundung kosten soll - was sie bringen wird, steht ohnehin in den Sternen -, wirkt bei einem unabhängigen Journalisten ein wenig so, als sei etwas zu beschönigen. Dabei kann man doch offen darüber reden. Bei so wenig Geld, wie hierzulande für Forschung und ihre Förderung ausgegeben wird, kann ein Geschäftsführer der FFG kaum mehr als eine Viertelmillion Euro im Jahr verdienen, plus Dienstwagen. Ob die Forschung damit in Singapur oder in Wien angeleiert wird, kann doch egal sein, und wenn die zehn Monate in Singapur noch einmal 70.000 Euro kosten - wen kümmert 's?

Wenn die zehn Monate vorbei sind, wird Deimek mehr wissen über die Rentabilität des Umwegs, den die Geschäftsführerin auf sich nimmt. Eine wahre Via dolorosa. Und wie lebt es sich mit einem kleinen Kind in Singapur, wenn Ehemann Christoph Stadlhuber nur selten vorbeikommt, weil er selbst beruflich stark engagiert ist? Womöglich rein zufällig in der Gegend? Wenigstens der "Kurier"-Chefredakteur weiß, anders als Deimek, mit seinem Forscherinstinkt die brennenden Fragen zu stellen. Die Antwort ist kurz: "Es ist heiß mit hoher Luftfeuchtigkeit." Und schon wieder wäre etwas erforscht! Gearbeitet wird in dem Stadtstaat schnell und effizient, wobei der österreichische Zugang, dass man sich zusammen redet, oft erfolgreich ist. Effizient ja weniger.

Die Regierung hat die Internationalisierung der Forschung in ihr Programm geschrieben. Eine Frau kämpft in Singapur und anderen asiatischen Staaten darum, das umzusetzen. Und nur Deimek will wissen, was es kostet. (Günter Traxler, DER STANDARD, 15./16.11.2014)