Brisbane/Freetown - Der Gipfel der führenden Volkswirtschaften der Erde (G-20) hat begonnen. Die Staats- und Regierungschefs beraten im australischen Brisbane noch bis Sonntag vor allem über Wirtschaftsfragen. Aber auch der Kampf gegen die Ebola-Epidemie und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sowie der Bürgerkrieg in der Ostukraine kommen zur Sprache.
Australiens Premier Tony Abbott betonte zum Start des Gipfels dennoch, den Schwerpunkt vor allem auf wirtschaftliche Fragen legen zu wollen. "Offensichtlich würde ich es gerne sehen, wenn bei unserer Diskussion hier der Fokus auf Fragen der wirtschaftlichen Reformen liegen würde." Am Ende sei es aber natürlich Sache der Teilnehmer, welche Fragen sie auf den Tisch bringen und zur Diskussion stellten, fügte Abbott hinzu.
Protest der australischen Ureinwohner
Vor dem Konferenzzentrum protestierten am Samstag australische Ureinwohner gegen fortgesetzte Diskriminierung. Zudem hatten sich zahlreiche andere Protestgruppen eingefunden.
Vor den offiziellen Beratungen kamen die Staats- und Regierungschef zu einem gemeinsamen Frühstück zusammen. Abbott erinnerte die Gipfelteilnehmer anschließend daran, dass die in Brisbane versammelten Staaten 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und 65 der Weltbevölkerung repräsentieren. Ziel müsse ein "Plan für Wachstum und Jobs" sein. Die G-20 streben an, das Wirtschaftswachstum ihrer Länder zusammengenommen um zwei Billionen Euro zu steigern und in Brisbane entsprechende Maßnahmen zu vereinbaren.
Pünktlich zur Beginn des Gipfeltreffens zeigte das russische Staatsfernsehen angebliche Satellitenaufnahmen von einem Kampfjet des Typs MiG-29, der in der Nähe der Boeing-777 am 17. Juli geflogen sei und eine Rakete abgefeuert habe. Abbott gibt Putin die Schuld an dem Abschuss der Passagiermaschine MH 17, weil Russland die Separatisten in der Ostukraine unterstützt, und fordert auf dem Gipfel eine Entschuldigung von ihm.
USA: Drei Milliarden Dollar für den Klimaschutz in Entwicklungsländern
Die USA wollen drei Milliarden Dollar für den Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitstellen. Die umgerechnet 2,4 Milliarden Euro fließen in den grünen Klimafonds der Vereinten Nationen. Das teilte die US-Regierung in Brisbane mit. Der Fonds will armen Staaten beim Aufbau einer klimafreundlicheren Industrie helfen. Auch Japan will Medienberichten zufolge insgesamt 1,5 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen.
Obama untermauert mit Nachdruck den amerikanischen Führungsanspruch in der asiatisch-pazifischen Region. "Wir werden unser Engagement stetig und bewusst mit allen Elementen unserer Macht vertiefen", sagte er am Samstag in einer Rede vor Studenten am Rande des G-20-Gipfels in Brisbane. Dazu sollten diplomatische, militärische und ökonomische Mittel dienen sowie Entwicklungshilfe und "die Kraft unserer Werte".
Lob für China und die USA kam vom UN-Generalsekretär. Beide Länder hätten in der vergangenen Woche eine Klimavereinbarung mit sehr ehrgeizigen Zielen getroffen. Ban Ki-moon forderte auch die anderen G-20-Staaten zu mehr Anstrengungen auf, damit Ende 2015 ein Abkommen zum Klimawandel in Paris vereinbart werden kann.
Keine Finanzzusagen zur Ebola-Bekämpfung
Die Gruppe zeigte sich darüberhinaus prinzipiell zur Mobilisierung von Ressourcen zur Bekämpfung der Ebola-Seuche bereit, einigte sich allerdings nicht auf einen globalen Finanzierungsfonds dafür. In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigte sie ihre Bereitschaft, alles dafür zu tun, dass die Epidemie bekämpft und die mittelfristigen wirtschaftlichen Kosten thematisiert werden könnten.
Die Vorsitzende der Hilfsorganisation Oxfam Australia, Helen Szoke, kritisierte, dass das Dokument konkrete Zusagen vermissen lasse. Die G20-Staaten sollten sich detailliert dazu äußern, was sie kurz- und langfristig zur Bekämpfung von Ebola und der Folgen der Seuche beitragen könnten, sagte sie.
Die Weltbank hat die Kosten der Epidemie auf bis zu 30 Milliarden Dollar beziffert und die Einrichtung eines globalen Fonds zur Finanzierung solcher Kosten vorgeschlagen, um schnell auf weltweite Gesundheitskrisen reagieren zu können. Die G20 hat sich dazu nicht festgelegt.
Transatlantisches Freihandelsabkommen soll vorangebracht werden
Ein europäisch-amerikanisches Spitzentreffen soll die Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen voranbringen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, Obama werde mit seinen EU-Kollegen am Sonntag über den Stand der Dinge sprechen. Juncker versprach, Europa werde bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP ("Transatlantic Trade and Investment Partnership") keine seiner Standards bei Gesundheit, Sozialem und Lebensmitteln opfern.
Junker für "fairen Steuerwettbewerb in Europa"
Gastgeber Australien hatte außerdem den internationalen Kampf gegen Steuerflucht als zentrales Thema des G-20-Gipfels angekündigt. Der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte in Brisbane, er sei für einen "fairen Steuerwettbewerb in Europa". Er sei überzeugt, dass "wir alle auf globaler Ebene gegen die Steuerflucht kämpfen müssen". Auch die EU werde entschlossen dagegen vorgehen. Steuerkonstrukte, mit denen Unternehmen legal eine "sehr geringe Besteuerung" erreichen können, müssten verhindert werden. Juncker steht derzeit wegen der Berichte über ein großangelegtes System zur Steuerumgehung während seiner Zeit als luxemburgischer Regierungschef unter Druck.
Gewerkschaftsvertreter fordern "sozial gerechtes Wachstum"
Internationale Gewerkschaftsvertreter übten indes scharfe Kritik an der australischen G-20-Präsidentschaft. Trotz steigender Arbeitslosigkeit und Ungleichheit weltweit gehe es auf dem Gipfel bei der Diskussion über die Ankurbelung der Weltkonjunktur nicht um sozial gerechtes Wachstum, beklagte die Chefin der internationalen Gewerkschaftsvereinigung (ITUC), Sharan Burrow, am Samstag.
Neben den geplanten Investitionen in Infrastruktur müssten auch die Löhne angehoben worden, womit zusätzlich Wachstum geschaffen werden könne, sagte John Evans, ITUC-Chefökonom und Gewerkschaftsberater der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). "Was fehlt ist, wie Kaufkraft zurück in die Hände der Haushalte gelangt", sagte Evans. Weltweit sind 600 Millionen junge Menschen arbeitslos, berichteten zivilgesellschaftliche Gruppen auf dem Gipfel.
Bekämpfung von Steuerschlupflöchern gefordert
Die großen Volkswirtschaften sollen nach dem Willen von Aktionsgruppen auf ihrem Gipfel im australischen Brisbane die Schlupflöcher im globalen Finanzsystem stopfen. Die Mechanismen, durch die jedes Jahr schätzungsweise eine Billion US-Dollar illegal aus Entwicklungsländer abfließen könnten, müssten beseitigt werden.
Das forderte Porter McConnell, Leiterin der Koalition Financial Transparency Coalition (FTC). Die Luxemburg-Leaks Fälle zeigten, dass Steuerumgehung und Gewinnverlagerung nicht nur in Steueroasen möglich seien und auch anderswo in der Welt zu spüren seien, sagte McConnell. (APA, 15.11.2014)