Bukarest - In Rumänien hat der konservative Politiker Klaus Johannis überraschend die Präsidentenwahl gewonnen. Mit dem Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt) in Siebenbürgen stünde erstmals ein Deutschstämmiger an der Spitze des EU-Staates. Sein Konkurrent, Ministerpräsident Victor Ponta, räumte seine Niederlage ein. Er kündigte aber trotz massiver Proteste an, er werde bis zur Parlamentswahl 2016 die Regierung seiner sozialdemokratischen Allianz weiter führen. Die Auszählung von mehr als drei Vierteln der Stimmen ergab am frühen Montagmorgen knapp 55 Prozent für Johannis und gut 45 Prozent für Ponta. Den Ausschlag in der Stichwahl am Sonntag dürften die im Ausland lebenden Rumänen gegeben haben, die mehrheitlich kritisch gegenüber Ponta eingestellt sind. Die Wahlbeteiligung war die höchste seit 1996.
Belastung Korruption und Steuerhinterziehung
Rumänien mit seinen 20 Millionen Einwohnern ist eines der ärmsten Länder in der Europäischen Union. Es musste schmerzhafte Einschnitte in seinem Haushalt verkraften. Im dritten Quartal dieses Jahres erholte sich die Wirtschaft wieder etwas, sie wuchs um mehr als drei Prozent. Doch Korruption und Steuerhinterziehung belasten weiter.
Reformen versprochen
Der 55-jährige Johannis war angetreten, die Unabhängigkeit der rumänischen Justiz zu wahren und den Kampf gegen die Korruption aufzunehmen. Er versprach Reformen in Wirtschaft, Bildung und Gesundheitswesen sowie gute Bedingungen für ausländische Unternehmen und Investoren. Viele Rumänen erhoffen sich von ihm, dass er das Land voranbringt, so wie er Sibiu, das 2007 zusammen mit Luxemburg Kulturhauptstadt Europas war, in den vergangenen Jahren herausgeputzt hat.
"Liebe Rumänen, ihr wart heute großartig", rief Johannis am Sonntagabend seinen Anhängern zu. "Wir haben ein gewaltiges Ergebnis erzielt, und mein Respekt gebührt der Diaspora", sagte er mit Blick auf seine im Ausland lebenden Landsleute. Viele von ihnen hatten ihrem Unmut Luft gemacht, als sie in der ersten Wahlrunde wegen langer Schlangen an den Wahllokalen in Europa und bürokratischer Hürden ihre Stimme nicht hatten abgeben können. In München etwa hielten am Sonntag Wähler Zahnbürsten in die Kameras, um zu demonstrieren, wie lange sie bereit seien, für ihre Stimmabgabe auszuharren.
Pontas lehnt Rücktritt als Ministerpräsident ab
In Bukarest und anderen Städten machten Tausende Demonstranten ihrem Unmut Luft und verlangten den sofortigen Rücktritt Pontas als Ministerpräsident. Der lehnt dies und eine vorgezogene Parlamentswahl aber ab.
Beobachter schätzen allerdings, dass ein Präsident Ponta mehr Stabilität für Rumänien bedeutet hätte. Denn der 42-Jährige wüsste die Mehrheit des Parlamentes hinter sich. Johannis dagegen wird wie der scheidende Staatschef Traian Basescu das Parlament gegen sich haben, und Streitereien könnten die Politik lähmen. Denn der rumänische Präsident hat viel Einfluss: Er ernennt den Ministerpräsidenten, Richter und Staatsanwälte und kann Vorschläge der Regierung blockieren. (Reuters, 17.11.2014)