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Ramush Haradinaj (Bild aus 2012): "Ich werde Premierminister, und keiner kann mich aufhalten."

Foto: REUTERS/Hazir Reka

Die US-Botschafterin Tracey Ann Jacobson verlor kürzlich die Geduld mit den Kosovaren. "Versemmelt es nicht!", warnte sie die Politiker mit drastischen Worten. Seit den Wahlen im Juni blockieren sich zwei politische Lager bei der Regierungsbildung. Im Prinzip gibt es drei Szenarien, um aus dem Patt herauszukommen. Die erste: Die PDK von Hashim Thaci bekommt den Posten des Parlamentspräsidenten, und der Oppositionsblock kann dann die Regierung bilden.

Die größte Oppositionspartei LDK hat in diesem Fall mit der AAK von Ramush Haradinaj vereinbart, dass Haradinaj Premier wird, obwohl seine Partei im Juni nur 9,5 Prozent der Stimmen bekam. Haradinaj war so wie der bisherige Premier Thaci Kommandant der Kosovo-Befreiungsarmee und hatte eigentlich bereits nach seiner Rückkehr aus Den Haag im Jahr 2012, wo er sich vor dem Kriegsverbrechertribunal verantworten musste, erwartet, dass er Regierungschef wird. "Ich werde Premierminister, und keiner kann mich aufhalten", sagte er diese Woche entschlossen.

Der Druck auf Thaci, einem Kompromiss zuzustimmen, ist hoch. Präsidentin Atifete Jahjaga, die ihren Job den USA zu verdanken hat, verhandelt zwar mit den Parteien, sie ist aber ein politisches Leichtgewicht und hat bisher noch nichts zustande bekommen. Sie könnte Thaci nach der Wahl des Parlamentspräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragen, wenn diese aufgrund der Mehrheitsverhältnisse scheitert, könnte sie den zweiten Auftrag an die Opposition geben.

Thaci könnte Präsident werden

Das Problem bei diesem Szenario ist aber, dass Thaci, dessen PDK die meisten Stimmen hat, für seine Partei mehr als nur den Posten des Parlamentspräsidenten bekommen möchte. Eine Möglichkeit für einen Kompromiss wäre, dass Thaci 2016 Staatspräsident wird. Doch die PDK fürchtet, dass sich die anderen Parteien an so eine Vereinbarung am Ende nicht halten würden.

Thaci ist nicht unschuldig an dem riesigen Misstrauen zwischen der Regierung und Opposition. Als die PDK 2010 die Wahlen gewann, wurde mit der Opposition (und mit der internationalen Gemeinschaft) vereinbart, dass rasch ein neues Wahlgesetz beschlossen wird. Thaci sagte zudem zu, nur drei Jahre zu regieren. Beide Versprechen wurden nicht eingehalten.

EU gegen Neuwahlen

Die zweite Option wäre, dass Neuwahlen stattfinden. Doch das ist erstens unpopulär, zweitens könnte dasselbe Ergebnis und wieder ein Patt herauskommen. Und drittens ist auch die EU dagegen. In der internationalen Gemeinschaft drängt man darauf, dass dringend die konstituierende Sitzung des Parlaments stattfinden und die Regierung gebildet werden soll, weil sonst auch das Budget für 2014 nicht verabschiedet werden kann und damit sämtliche Zahlungen, die für das Funktionieren der Institutionen notwendig sind, nicht erfolgen können.

Die dritte Möglichkeit wäre, dass die LDK aus dem Oppositionsblock abspringt und doch mit der PDK eine Regierung bildet. Dieses Szenario würde zumindest zwei Probleme verhindern. Denn wenn der Oppositionsblock an die Macht käme, wäre auch die neugegründete Partei Nisma von Fatmir Limaj dabei.

Eulex ermittelt gegen Limaj

Limaj, ehemals Mitglied der PDK und mehrmals in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt, ist einer der umstrittensten Politiker im Kosovo. Gegen ihn läuft ein Korruptionsverfahren der EU-Rechtsstaatsmission Eulex. Eine Regierungsbeteiligung des ehemaligen Verkehrsministers wäre ganz sicherlich kein Signal dafür, dass man sich um mehr Rechtsstaatlichkeit bemüht.

Das zweite Problem einer Regierung unter der Führung der jetzigen Opposition wäre, dass in diesem Fall die Partei Vetëvendosje die laufenden Verhandlungen mit Serbien übernehmen würde. Die albanisch-nationalistische Partei Vetëvendosje war früher überhaupt gegen jegliche Verhandlungen mit Serbien und würde sicherlich weniger Kompromissbereitschaft zeigen als die PDK. "Wir wollen sowohl die Themen als auch das Format der Verhandlungen ändern", kündigt etwa Shpend Ahmeti an, der Bürgermeister von Prishtina, der zu Vetëvendosje gehört.

Eine gravierende Änderung des Verhandlungskurses ist nicht nur gegen die Interessen der EU und der USA, sondern wäre auch für Serbien inakzeptabel. "Wenn Vetëvendosje verhandeln würde, würde diese den Prozess stoppen, Serbien würde auch nicht mehr daran teilnehmen", warnt etwa der serbisch-orthodoxe Priester Sava Janjić Dragutin. (Adelheid Wölfl, derStandard.at, 17.11.2014)