Rom/Genua (APA) – Drei Todesopfer und ein Vermisster ist die Bilanz der schweren Unwetter, die am Wochenende für Chaos und Verwüstung in Norditalien gesorgt haben. Eine 21-Jährige stürzte in Alba in Piemont mit ihrem Auto in einen Fluss, der über die Ufer zu treten drohte, berichteten italienische Medien.

Zwei Personen sind am Sonntag im lombardischen Cerro di Laveno unweit vom Lago Maggiore unter den Trümmern ihres Hauses ums Leben gekommen, das von einem Erdrusch erfasst wurde. Bei den Opfern handelte es sich um eine 16-Jährige, die im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen erlag, und um einen 70-jährigen Angehörigen des Mädchens, der unter den Trümmern starb. Drei Personen konnten sich retten. Ein 67-jähriger Mann, der in Mignanego nahe Genua mit seinem Auto unterwegs war und von einem Fluss mitgerissen wurde, wird noch gesucht.

Strecken wegen Erdrutschen noch gesperrt

Auch Montag früh kämpften vor allem die Lombardei, das Piemont und Ligurien weiter mit den Folgen der Unwetter. Der Präsident der Region Ligurien, Claudio Burlando, bezifferte die Schäden der Unwetter auf eine Milliarde Euro. Betroffen seien Wohnungen, Betriebe, Geschäfte und Infrastrukturen, berichtete Burlando.

In Ligurien waren am Montag über 300 Straßen wegen Erdrutschen und Überschwemmungen gesperrt. Erhebliche Verkehrsprobleme gab es im Straßen- und Bahnverkehr im Großraum um Genua und Mailand. Mehrere Straßen waren in Mailand wegen Überschwemmungen gesperrt. Auf der Bahnlinie Mailand-Bergamo kam es zu Verspätungen. In der Lombardei mussten 400 Personen ihre Wohnungen verlassen. Viele Familien waren wegen Straßensperren isoliert.

Unweit der lombardischen Stadt Mantua war das Heer im Einsatz, um die Ufer des Flusses Po zu konsolidieren, der über die Ufer treten könnte. Der Gemeinde Sommo nahe Verona droht die Evakuierung wegen Überschwemmungsgefahr. Der Agrarverband Coldiretti klagte über Schäden in Höhe von zehn Millionen Euro für die Landwirtschaft.
Experten des Umweltschutzverbands Legambiente riefen die Regierung zu dringenden Maßnahmen zur Bodenkonsolidierung auf. 70 Prozent der italienischen Gemeinden, das sind 5581 Kommunen, seien von Erdrutschen und Überschwemmungen gefährdet.

"Natur rächt sich"

"Die Natur rächt sich, wenn sie misshandelt wird. In zu vielen Gemeinden sind in Italien Wohnungen in Gebieten errichtet worden, die vom hydrogeologischen Standpunkt aus gefährlich sind", sagte ein Sprecher des Umweltschutzverbands Legambiente.
Italien sei ein Land, wo man nur unter dem Druck von Notsituationen Maßnahmen setze, klagten die Umweltaktivisten. Der Staat müsse sich jedoch mit ganzer Kraft dafür einsetzen, weitere Desaster durch eine gezielte Umweltpolitik zu verhindern. Nicht nur auf nationaler, sondern auch auf lokaler Ebene müsse Umweltschutz zur Priorität werden.

"Genua rutscht ins Meer und die Regierung schaut zu", kritisierte der Chef der populistischen Fünf Sterne-Bewegung, Beppe Grillo, der aus Genua stammt.
Der italienische Regierungschef Matteo Renzi kritisierte die Umweltpolitik der Regionen.

Sie hätten in den vergangenen 20 Jahren zu wenig für die Stabilisierung des Bodens und zur Vorbeugung von Unwetterkatastrophen unternommen. Der Präsident des Verbands der italienischen Regionen, Sergio Chiamparino, drängte darauf, dass große Infrastrukturinvestitionen zur Unwettervorbeugung aus dem Stabilitätspakt ausgeklammert werden.

Italien immer wieder betroffen

Italien war in den vergangenen Jahren immer wieder von schweren Überschwemmungen und Erdrutschen betroffen. Es ist das Land mit der höchsten Zahl an Unwetterkatastrophen in den vergangenen 50 Jahren, die 2000 Todesopfern verursacht haben, geht aus einer Studie des Forschungsinstituts CNR hervor. Das schlimmste Unglück ereignete sich im Mai 1998. Damals kamen 137 Personen in der süditalienischen Ortschaft Sarno bei Neapel ums Leben, als nach sintflutartigen Regenfällen eine Schlammlawine Dutzende Gebäude unter sich begrub.

70 Särge mitgerissen

Die schweren Unwetter in Genua verschonten auch die Totengräber nicht. Eine große Mauer des städtischen Friedhofs Bolzaneto stürzte wegen der Überschwemmungen ein. Beim Einsturz wurden über 70 Särge mitgerissen, die in den Fluss Polcevera gespült wurden. Der Fluss war infolge der heftigen Niederschläge über die Ufer getreten.

Auch einige Knochen – darunter Schädel – wurden vom Wasser weggeschwemmt, berichteten italienische Medien. Zwei Leichen und einige weitere menschliche Überreste wurden am Ufer des Flusses gefunden, andere befinden sich noch unter den Trümmern der eingestürzten Mauern. Die Suche nach den Särgen sei noch im Gange, teilten die städtischen Behörden mit. Die geborgenen Körperteile wurden zunächst irrtümlich für die Leiche eines 67-jährigen Mannes gehalten, der seit Samstag vermisst wird. (APA, 17.11.2014)