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Veronika Kronberger hat die Plattform Watchlist Praktikum mitgegründet. Praktikanten können dort anonym Firmen melden, wenn sie in einem regulären Arbeitsverhältnis sind, aber nicht entsprechend bezahlt werden. Bisher sind über 100 Meldungen eingegangen, über 50 werden derzeit von der Gebietskrankenkasse bearbeitet. Insgesamt verzeichnete die Website 30.000 Klicks.

UniStandard: Wie viel Praktikumserfahrung haben Sie gemacht?

Kronberger: Vor dem Studium habe ich eine Fotoausbildung gemacht, da habe ich einige Praktika absolviert.

UniStandard: Viele Studierende müssen Pflichtpraktika machen. Wie ist das rechtlich geregelt?

Kronberger: Das Praktikum ist dual als Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis angelegt. Ersteres sind Pflichtpraktika, die im Lehrplan fixiert, aber nicht klar definiert sind. Reine Ausbildungsverhältnisse sind Volontariate. Sie sind meistens unbezahlt und dazu da, den Beruf kennenzulernen.

UniStandard: Laut einer Forba-Studie von 2011 sind 70 Prozent der Pflichtpraktika unbezahlt. Gibt es noch bezahlte Pflichtpraktika?

Kronberger: Es gibt keine aktuellen empirischen Daten außer dieser Studie. Die Meldungen in der "Watchlist" zeigen aber, dass im Pflichtpraktikabereich alle unbezahlt sind.

UniStandard: Wie kann man die Situation verbessern?

Kronberger: In Österreich gibt es das Lohn- und Sozialdumpinggesetz, das bisher nur für den Bau verwendet wird. Das könnte man auf andere Branchen ausweiten. Für Akademiker gehören unbezahlte Praktika verboten. Es ist unverständlich, dass jemand mit Hochschulabschluss ein Praktikum unbezahlt absolvieren muss.

UniStandard: Deutschland führt ab 1. Jänner 2015 einen Mindestlohn von 8,50 Euro ein. Wäre das keine Lösung?

Kronberger: Wenn jemand einen Abschluss hat, ist ein Mindestlohn eine Frechheit - er sollte mit einem kollektivvertraglichen Gehalt einsteigen. Ein Mindestlohn wäre ein Rückschritt.

UniStandard: Würden sich unbezahlte Praktika von selbst aufhören, wenn sie niemand mehr annimmt?

Kronberger: Das ist nicht so einfach, denn es geht ja nicht allen Studierenden gleich. Der Großteil muss nebenbei arbeiten. Es ist nur ein kleiner Teil, bei dem Geld keine Rolle spielt. Die haben die Möglichkeit, unbezahlte Praktika zu machen. Das führt schlussendlich dazu, dass in gewissen Branchen nur gewisse Menschen arbeiten.

UniStandard: Wie kann man das lösen?

Kronberger: Es bräuchte ein Stipendiensystem für einen fairen Einstieg ins Arbeitsleben. Derzeit gibt es keine Studienbeihilfe für ein unbezahltes Pflichtpraktikum.

UniStandard: Sollte man nach dem Studium überhaupt Praktika machen?

Kronberger: Davon rate ich ab. Es ist sinnvoller, ein halbes Jahr einen dauerhaften Arbeitsplatz zu suchen als zehn Praktika zu machen. (Selina Thaler, DER STANDARD, 20.11.2014)