Jerusalem – Zwei palästinensische Attentäter haben bei einem der schwersten Angriffe in Jerusalem seit Jahren vier Menschen in einer Synagoge getötet. Augenzeugen zufolge gingen sie am Dienstag im Morgengrauen mit einer Schusswaffe und einem Fleischerbeil auf die Besucher des Gotteshauses los, bevor es der Polizei gelang, die Angreifer niederzustrecken.
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu warf der radikal-islamischen Hamas und dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas Anstiftung vor und kündigte eine harte Reaktion an. Die Hamas hieß den Anschlag gut und rief zu weiteren "Racheaktionen" auf. Im Gazastreifen wurden von Moscheen aus Glückwünsche ausgerufen und in palästinensischen Radioberichten die Angreifer als Märtyrer gefeiert.
Bei den Attentätern handelte es sich nach Angaben der Polizei um zwei Cousins, die aus dem palästinensischen Stadtteil Jabal Mukaber in Ostjerusalem stammten. Sie stürmten kurz vor 07.00 Uhr in die Synagoge von Har Nof am Westrand der Stadt. Alarmierte Polizisten lieferten sich mit den Attentätern einen Schusswechsel und töteten sie. Die Opfer sind jüdische Betende, drei besaßen neben der israelischen auch die US-Staatsbürgerschaft, einer die britische. Sechs Personen wurden nach Polizeiangaben bei dem Attentat verletzt.
Terrorgruppe bekennt sich
Die radikale "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP) teilte mit, zwei ihrer Mitglieder hätten den Anschlag verübt. Die Organisation rief alle palästinensischen Fraktionen dazu auf, "gemeinsam Widerstand gegen die (israelische) Besatzung zu leisten".
Der Vorfall ist der jüngste in einer ganzen Serie von Anschlägen in den vergangenen Wochen, bei denen unter anderem Israelis absichtlich überfahren wurden. Am Montag war es in Jerusalem zu Ausschreitungen zwischen palästinensischen Jugendlichen und israelischen Soldaten gekommen, nachdem die Leiche eines palästinensischen Busfahrers gefunden worden war. Insgesamt wurden bereits mehr als ein Dutzend Menschen getötet.
Der nun erfolgte Angriff auf die Synagoge des von Ultraorthodoxen bewohnten Viertels neben der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem war der schwerste Vorfall dieser Art in Jerusalem seit 2008, als ein Palästinenser acht Menschen in einer Religionsschule erschossen hatte. Es war seitdem das erste Attentat auf eine religiöse Stätte in Jerusalem.
Abbas verurteilt Tat
Palästinenserpräsident Abbas erklärte noch am Vormittag: "Die palästinensische Präsidentschaft hat die Tötung von Zivilisten auf beiden Seiten zu jeder Zeit verurteilt. Heute verurteilen wir die Tötung von Betenden in einer Synagoge in Westjerusalem."
Der israelische Premier Netanyahu hatte Abbas kurz zuvor eine Mitverantwortung für das Attentat zugewiesen: "Dies ist das direkte Resultat der Aufwiegelung durch die Hamas und Abu Mazen", erklärte Netanyahu unter Verwendung des Beinamen von Abbas. "Einer Aufwiegelung, die von der internationalen Gemeinschaft auf unverantwortliche Weise ignoriert wird", fügte er hinzu.
Während Abbas den Anschlag verurteilte, sprach die radikal-islamische Hamas von einer "heroischen Tat". Es sei die Rache für den Tod eines arabischen Busfahrers sowie Israels Vorgehen auf dem Tempelberg (Haram al-Sharif).
Auch US-Außenminister John Kerry hatte von London aus "die palästinensische Führung auf jeder einzelnen Ebene" aufgerufen, "den Akt reinsten Terrors und sinnloser Brutalität auf das Schärfste zu verurteilen". Kerry rief Abbas nach Angaben eines Mitarbeiters an und bedrängte ihn, sofort alles ihm Mögliche zu unternehmen, um die Lage zu entschärfen.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte am Rande eines Besuchs in Kiew, dass "Gotteshäuser zum Schauplatz von tödlichen Angriffen auf unschuldige Gläubige" würden, sei eine "schreckliche Grenzüberschreitung in einer ohnehin extrem angespannten Lage". Ähnlich äußerten sich der französische Staatschef Francois Hollande und UNO-Nahost-Koordinator Robert Serry.
Netanyahu bestellte für den Nachmittag die Sicherheitschefs des Landes in sein Büro, um über weitere Schritte zu beraten. Verteidigungsminister Moshe Yaalon drohte, die Regierung werde die Auftraggeber solcher Attacken "diesseits und jenseits von Israels Grenzen verfolgen". (red, APA, 18.11.2014)