Radian Verses Howe Gelb (Radian Releases / Trost)

Foto: Radian Releases

Kennengelernt haben sie sich vor ein paar Jahren im Rahmen einer gemeinsamen Jubiläumstour für ihr früheres US-Label Thrill Jockey. Dass diese beiden Königskinder aber jemals zusammen musizieren könnten, war schlichtweg undenkbar. Immerhin stehen die Wiener Post-Rocker und Minimal-Elektroniker Radian für das Brutzeln der Gitarren- und Basskabel oder für das Brummen der ungeerdeten Verstärker. Wichtig auch: die Stille, die entsteht, wenn Schlagzeuger und Band-Vorstand Martin Brandlmayr zwischen zwei Schlägen auf die Becken einmal länger nichts tut.

Grooven tut es auch noch, dafür muss man sich aber Zeit beim Hören nehmen. Mit der Tür ins Haus fallen Radian sicher nicht. Die Musik von Radian ist eher wie das Blatt eines Baumes, das im Herbst zufällig in die Wohnung weht, wenn man das Fenster öffnet, abgefallen vom großen Baum der Populärmusik, der sich jetzt für den Winterschlaf bereitmacht.

Blumige Ausdrücke

Das führt uns zu Howe Gelb, der alte Wüstenrocker aus Arizona raucht nämlich unter anderem gern blumige Ausdrücke machende Spaßzigaretten und gilt deshalb in seiner Kunst als zart unberechenbar, an manchen Tagen als "unguided missile". Gediegener Country-Rock ist von ihm ebenso zu haben wie Konzerte voller zerschossener Songskizzen an Piano oder Gitarre. Wenn es nicht passt, wechselt der Mann das Ausgangsmaterial seiner Improvisationen im Minutentakt oder daddelt hippiesk den Saal leer.

Im Lauf der letzten Jahre kam Howe Gelb einige Mal nach Wien zu gemeinsamen Aufnahmesessions. Files wurden über Elektropost ausgetauscht – und das vorliegende Album Radian Verses Howe Gelb ist tatsächlich äußerst gelungen. Zwar lassen sich die beiden Pole nur selten miteinander wirklich schlüssig verbinden. Im Rahmen von langen Editing-Sessions und Katastrophenmanagement auf dem Mischpult wurde der gewohnten Radian-Kunst knapp vor dem Stillstand aber so etwas Ähnliches wie Songstruktur verliehen. Howe Gelb brummt freundlich seine Texte, klimpert am Klavier, und alles zusammen ergibt ein fröhliches Nebeneinander. Höhepunkt des Albums: eine Coverversion des alten Hollywood-Haderns Moon River. Zum Weinen schön. (schach, Rondo, DER STANDARD, 21.11.2014)