Bild nicht mehr verfügbar.

Nach den Vorstellungen der IV soll die Bildungspflicht mit vier Jahren und einem verpflichtenden Kindergartenjahr beginnen.

Foto: apa/Hochmuth

Wien - Die Industriellenvereinigung (IV) spricht sich für eine ganztägige gemeinsame Schule für alle Kinder von fünf bis 14 Jahren aus, die mit einer mittleren Reifeprüfung abschließt. Die Kinder sollen von 8.30 bis 15.30 Uhr in der Schule sein, zusätzlich soll es optional Früh- und Spätbetreuung geben, so IV-Präsident Georg Kapsch bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Im Schulbereich brauche es eine "Bildungsrevolution" und einen "kompletten Neustart", begründete Kapsch. "Der Punkt, an dem man mit Reformen oder Reförmchen noch etwas ändern hätte können, den haben wir schon vor Jahrzehnten überschritten." Das derzeitige Bildungssystem erfülle weder die Anforderungen einer modernen Welt noch die Erwartungen der Eltern und Schüler.

Bloßes Absitzen der Schulzeit

Als Hauptproblem orteten Kapsch und sein Generalsekretär Christoph Neumayer die Gruppe der Fünf- bis 14-Jährigen. "Das derzeitige System ermöglicht ein bloßes Absitzen der neun Pflichtschuljahre und nimmt in Kauf, dass die Abgänger keine ausreichenden Kompetenzen aufweisen", so Neumayer. Außerdem trenne man die Kinder viel zu früh: "Wollen wir uns wirklich anmaßen, abschließend zu beurteilen, welches Potenzial in Zehnjährigen steckt?"

Nach den Vorstellungen der IV soll die Bildungspflicht mit vier Jahren und einem verpflichtenden Kindergartenjahr beginnen. Daran schließt sich mit fünf ein "Schulstartjahr", das schon an der Schule verbracht wird. Bis zur mittleren Reife mit rund 14 Jahren verbringen die Kinder ihre Schulzeit dann in einer gemeinsamen Schulform. Die bisherige Volksschule und spätere Trennung in AHS-Unterstufe, Hauptschule oder Neue Mittelschule würde entfallen.

Drei Phasen

Diese Schulzeit soll in drei Phasen zerfallen: In der ersten würden die Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben, Rechnen sowie Information und Kommunikation erlernt. In der zweiten erfolge der Aufbau der Allgemeinbildung und der Fachkenntnisse, in der dritten werde dies vertieft und erfolge Ausbildungs- und Berufsorientierung. Jede Phase solle je nach Auffassungsfähigkeit der Kinder zwei bis drei Jahre dauern.

Die Bildungspflicht soll dann mit der mittleren Reifeprüfung enden. Diese solle zwischen 14 und 18 Jahren erfolgen - wer diese zunächst nicht schaffe, bleibe bis zur Absolvierung im Regelschulwesen, so Kapsch.

Kein generelles Durchfallen

Organisiert sein soll dies in einer für alle verpflichtenden verschränkten Ganztagsschule mit einem Wechsel aus Unterricht, Freizeit und Lernzeit von 8.30 bis 15.30 Uhr. Optional soll es ab sieben und bis 19 Uhr dort auch noch Betreuung geben. Benotet würde mit einer Mischung aus Ziffernnoten und alternativen Beurteilungssystemen. Ein generelles Durchfallen soll es nicht mehr geben, so Kapsch. Wer in einem Fach schwach sei, bleibe in diesem auf der bisherigen Stufe und steige in den anderen auf.

Die Schulagenden sollen in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache werden. Finanziert würden die Schulen nach einem neuen System: Sämtliche potenziellen Anbieter - egal ob öffentlich oder privat - müssten sich einer Akkreditierung unterwerfen. Wer diese habe, erhalte pro Schülerkopf einen einheitlichen Betrag, so Kapsch. Zusätzliches Geld gebe es für Schulen, die etwa aufgrund eines hohen Anteils an Kindern mit nichtdeutscher Umgangssprache mehr leisten müssen.

Die Schulen sollen sowohl finanzielle als auch personelle Autonomie erhalten. "Dazu braucht es auch eine gewisse Größe", so Neumayer. Die Pädagogen wiederum sollten einer permanenten Weiterbildungspflicht unterliegen, nach ASVG versichert sein und dementsprechend zwischen schulischem und außerschulischem Arbeitsmarkt wechseln können.

Keine "engstirnige Ausbildung" mehr

Ziel ist für Kapsch ein "hohes Allgemeinwissen" der Schüler: "Allgemein gebildete Menschen sind wesentlich flexibler als sehr engstirnig ausgebildete." Demnächst will die IV Konzepte für die Zeit nach der mittleren Reife bzw. die Hochschulen vorlegen. Eines ist dafür schon jetzt klar: Die Polytechnische Schule werde es nicht mehr brauchen.

Als Vorbilder dienen der IV Länder wie Finnland und die Niederlande. Neumayer ist dabei klar, dass es für eine Umstellung schon aufgrund der baulichen Notwendigkeiten Zeit brauche. Dabei verwies er auf Polen, das zuletzt auf so ein System umgestellt habe.

ÖVP zeigt sich offen

Die Volkspartei hatte eine "Einheitsschule" stets abgelehnt. Dennoch versprach Staatssekretär Harald Mahrer eine ernsthafte Prüfung der Überlegungen. "Wir werden die Vorschläge weltoffen und ideologiefrei diskutieren", sagte Mahrer (ÖVP) in der "Kleinen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe): "Wir nehmen jeden Vorschlag gern auf, denn wir wollen die beste Bildung für jedes Kind."

SPÖ, Grüne und Neos begrüßen Vorstoß

SPÖ, Grüne und Neos begrüßen den Vorstoß der Industriellenvereinigung (IV) für eine "Bildungsrevolution". Die IV habe langjährige Forderungen der SPÖ übernommen, so deren Bildungssprecherin Elisabeth Grossmann in einer Aussendung - "vom zweiten kostenlosen Kindergartenjahr über die verschränkte Ganztagsschule bis zur gemeinsamen Schule".

Die FPÖ lehnt das Konzept ab. Es gehe "in die völlig falsche Richtung", sagt Bildungssprecher Walter Rosenkranz in einer Aussendung. "Das System, vom 4. Lebensjahr an Kinder zwangsweise ganztägig zu beschulen, deutet nicht auf den liberalen Geist von IV-Präsident Kapsch hin, sondern erinnert vielmehr an Bildungssysteme totalitärer Staaten."

Die Grünen sehen nun die ÖVP in der Pflicht."Wenn die ÖVP sich weiter gegen die Gemeinsame Schule sträubt, nimmt sie wissentlich in Kauf, dass sie letztlich auch dem Wirtschaftsstandort Österreich schadet", so deren Bildungssprecher Harald Walser. Die NEOS freuen sich, dass "die Allianz der Reformwilligen täglich wächst". (APA, 18.11.2014)