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Der "Weiße Palast": Die türkische Öffentlichkeit erfährt nur stückweise über Kosten und weitere Baupläne für den Amtssitz des Präsidenten.

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Ankara/Athen - Der Papst sei ein höflicher Mensch, sagt Federico Lombardi, der Sprecher des Vatikans, und deshalb gehe er auch dorthin, wo ihn der türkische Präsident empfangen wolle. In den "Weißen Palast" nämlich, wie der gigantische neue Amtssitz von Tayyip Erdogan in Ankara nun vom Volksmund genannt wird, auch wenn die türkische Architektenkammer an Franziskus appellierte, den Protzbau bei seinem Türkeibesuch in der kommenden Woche zu meiden.

Denn: Der "Weiße Palast" (Ak Saray) sei illegal, so sagen die Regierungskritiker, die 300.000 Quadratmeter Erdogan-Residenz eine einzige Serie von Rechtsbeugungen. (Zum Vergleich: Die Hofburg in Wien hat 240.000 Quadratmeter, Präsidentenkanzlei, Nationalbibliothek, Redoutensaal, Park- und Stallanlagen inklusive.)

Ein Mann und sein Palast

Lange gab es nur Luftaufnahmen vom Fortschritt der Bauarbeiten im Osten Ankaras. Erst zur Teileröffnung am Tag der Republik am 29. Oktober hat der Hausherr ein Bild veröffentlichen lassen: Tayyip Erdogan im schwarzen Maßanzug, allein in der Galerie der Haupttreppe stehend, die Arme entspannt hängend - ein Mann und sein Palast. Doch seither reißt in der Türkei die Debatte über Prunk und Kosten, Nutzen und wahre Bestimmung des Weißen Palasts nicht mehr ab.

245 Millionen Euro soll der Präsidentenpalast, wie er offiziell heißt, kosten, so hieß es zuerst. Der Finanzminister räumte während der Haushaltsdebatte Anfang des Monats eine doppelt so hohe Summe ein - eine halbe Milliarde Euro. Die Opposition im Parlament geht mittlerweile von 900 Millionen Euro aus, nachdem Berichte aufgetaucht sind, wonach die Regierung Geld von verschiedenen staatlichen Sozialfonds genommen habe, um den Bau des Weißen Palasts zu finanzieren.

Moschee und Wohnungen

Fertig ist er ohnehin nicht. Erdogan will noch zwei Kongresshallen und eine Moschee. Durch ein erst dieser Tage öffentlich gemachtes Modell des Palasts erfuhr die Öffentlichkeit, dass auch ein privater Wohnkomplex mit 250 Zimmern geplant ist - der Amtssitz selbst soll mehr als 1000 Zimmere haben.

"Es gibt eine Kultur der Verantwortungslosigkeit in diesem Land, von der Spitze des Staates hinunter bis in die privaten Beziehungen", sagt Lale Kemal, eine Publizistin und Expertin für Verteidigungsfragen: "Niemand ist gern bereit, Rechenschaft abzulegen für das, was er tut." Kemal beschäftigt sich mit der nach wie vor beschränkten Einsicht des Parlaments in die Ausgaben der Armee, aber auch mit dem türkischen Rechnungshof, dessen Kompetenzen seit 2010 immer stärker beschnitten wurden.

Baugenehmigung vorgelegt

Für die Budgetdebatten gibt der Rechnungshof den Parlamentariern nur noch dünne, zuvor von der Regierung redigierte Berichte über die öffentlichen Ausgaben des Vorjahres. Viereinhalb Seiten zählt die Würdigung der Ausgaben des noch von Erdogan geführten Premiersamtes im Jahr 2013.

Ein hochrangiger Vertreter des Präsidentenpalasts versuchte mittlerweile die Wogen zu glätten und präsentierte eine Baugenehmigung, datiert auf den 17. Juli 2012. Der gerichtlich verfügte Baustopp vom Frühjahr wegen Eingriffs in den geschützten Atatürk-Waldpark sei wieder gekippt worden, erklärte Metin Kiratli, der Vizegeneralsekretär des Palasts. Eine Erlaubnis zur Nutzung des Gebäudes zeigte er auch. Die ist vom 8. Oktober. (Markus Bernath, DER STANDARD, 19.11.2014)