Susanne Reindl-Krauskopf, Strafrechtsprofessorin in Wien.

Foto: Uni Wien

Wien - Rechtsextreme Delikte gehen seit Jahren nicht zurück. Ob Hitlergruß, das Brüllen von Naziparolen oder das Tragen von einschlägigen Abzeichen, das Verharmlosen des Holocausts oder gar die versuchte Neugründung der NSDAP - es finden sich noch Verwirrte genug, die der verbrecherischen Ideologie etwas abgewinnen. 2012 wurden wegen NS-Wiederbetätigung 57 Männer und eine Frau verurteilt, 2013 waren es 44 Männer und eine Frau.

Auch das Internet ist dabei längst zum Tatort geworden. Den schier grenzenlosen Möglichkeiten, die das Netz hier Verbrechern bietet, stehen in der Strafverfolgung keineswegs grenzenlose Möglichkeiten gegenüber.

Prominente Beispiele aus der jüngeren Geschichte sind natürlich Seiten wie Alpen-Donau.Info, die von Österreichern betrieben wurden. Aktuell sitzt unter anderem dem prominente Wiederholungstäter Gottfried Küssel wegen der Neonazi-Homepage im Gefängnis. Doch jahrelang hörte die Öffentlichkeit von den Behörden bezüglich der - wenig überraschend - anonym betriebenen Seite immer wieder: "Der Server liegt in den USA." Da könne man nichts machen.

"Im Ausland sind wir immer auf Rechtshilfe angewiesen", sagt die Strafrechtsprofessorin der Uni Wien, Susanne Reindl-Krauskopf. Geht es im Speziellen um Straftatbestände nach dem Verbotsgesetz, stößt man bei internationalen Ermittlungen oft an zusätzliche Grenzen. Die Täter wissen das.

Das Verbotsgesetz wurde in Österreich gleich nach dem Krieg 1945 mit einem Verbot der NSDAP und als Maßnahme der Entnazifizierung eingeführt, dann 1947 novelliert und erfuhr erst 1992 die bis dato letzte Änderung. Es steht in Österreich in Verfassungsrang. Mit dem Abzeichengesetz wurde 1960 ein zusätzliches Gesetz beschlossen, das das öffentliche Zurschaustellen von Abzeichen, Uniformen oder Uniformteilen verbotener Organisationen unter Strafe stellte. In Deutschland, wo es als Äquivalent zum Abzeichengesetz das Vergehen "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" und das sogenannte Parteiverbot. Das Verfolgen einschlägiger Straftaten ist in Österreich und Deutschland - historisch erklärbar - sehr ähnlich. Auch innerhalb der EU-Staaten ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in dieser Causa von Ermittlern und Justiz etwas unkomplizierter als etwa zwischen Österreich und den USA.

Meinungsfreiheit in den USA

"Besonders in den USA sind wir hier sehr oft mit dem Problem konfrontiert, denen klar zu machen, warum wir dieses Delikt überhaupt verfolgen", so Reindl-Krauskopf. Hier sei die freie Meinungsäußerung - ähnlich wie das Recht Waffen zu tragen - wiederum aus der amerikanischen Geschichte ein ganz besonders hohes Gut. Deshalb gab es in der Vergangenheit immer wieder Situationen, wo man keinen Zugriff auf Server bekam. "Wäre der Server in Österreich, würde man ihn sicherstellen und sich eine Sicherheitskopie ziehen, das geht in den USA nicht so einfach." Bei Fällen von Kinderpornografie ist das anders: "Da gibt es einen Konsens über Kinderrechte und den Schutz von Kindern", vergleicht Reindl-Krauskopf.

Prinzipiell muss aber bei internationaler Strafverfolgung der Täter österreichischer Staatsbürger sein, und zwar mindestens bis zum Beginn der strafrechtlichen Ermittlungen, oder die Tat auf österreichischem Boden passiert sein. Sonst sind unsere Behörden ohnehin nicht zuständig. Und: "Der Täter muss, etwa, wenn er die Tat im Urlaub im Ausland begangen hat, nach Österreich zurückkommen. Wir brauchen ihn auf jeden Fall irgendwann physisch hier, um gegen ihn vorgehen zu können", erklärt die Expertin für Computer- und Internetstrafrecht.

Geht die "Meinungsfreiheit" so weit, dass man den nationalsozialistischen Völkermord verharmlost oder gar abstreitet, so nimmt dieses Vergehen aber auch außerhalb von Österreich und Deutschland eine Sonderstellung ein. Etwa am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es kam immer wieder vor, "dass nach dem Verbotsgesetz bei uns Verurteilte am Europäischen Gerichtshof Beschwerden einbrachten" , weiß Reindl-Krauskopf, "auch da wurde festgestellt, dass dieses Gesetz vor dem geschichtlichen Hintergrund des Landes notwendig ist".

"Mehr Aufklärungsarbeit"

Die Strafrechtlerin ist selbst Verfechterin des Verbotsgesetzes, nur den "im Vergleich zu anderen Delikten sehr hohen Strafrahmen", sieht Reindl-Krauskopf kritisch. Vor allem bei noch jungen Tätern, die erstmals straffällig werden: "Da halte ich mehr von kürzeren Haftstrafen und dafür mehr Aufklärungsarbeit." Eine Lockerung diesbezüglich gab es bereits 1992, als die Strafdrohung für Wiederbetätigung auf ein bis zehn Jahre herabgesetzt wurde - nur bei besonderer Gefährlichkeit können es bis zu 20 Jahre werden.

Für Vergehen nach dem Abzeichengesetz gibt es hingegen nur Verwaltungsstrafen - maximal 4000 Euro oder ein Monat Haft. Letzteres Gesetz wurde in jüngster Zeit auch als Vorlage bemüht: Als in Deutschland und Österreich die Diskussion um ein Verbot von Symbolen der Terrormiliz IS losbrach, "hat man sich das Abzeichengesetz sicher angesehen". (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 19.11.2014)