Burgerpflicht am Naschmarkt: Der Theatercafé-Schriftzug darf bleiben, einige Versatzstücke der früheren Möblage ebenso.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Man kann sich seinen Burgen nach eigenen Wünschen zusammenstellen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Theatercafé war vor mehr als einem Jahrzehnt ein angesagtes Lokal, heute muss man den Leuten schon erklären, wo es sich befindet: genau vis-à-vis der Naschmarkt genannten Fast-Food-Meile – bei Eröffnung des Lokals befand sich hier noch ein richtiger Markt. Eigentlich ist dies immer noch eine gute Lage. Man muss schon viel falsch machen, um hier nicht jene Gäste abzufangen, die vor dem Junk auf der anderen Straßenseite flüchten.

Dennoch sind daran auch namhafte Gastronomen in den vergangenen Jahren gescheitert – offenbar wurde der Ort als Einladung missverstanden, sich ähnlich convenienceorientiert zu verdingen wie die Kollegenschaft von der Tourimeile. Zuletzt war es Philipp Prodinger, der vollmundig angekündigt hatte, hier "Kaffeehausküche vom Markt" zu bieten, mit zeitgemäßen Interpretationen urwienerischer Köstlichkeiten wie Mayonnaise-Ei, Schinkenrolle oder Ochsenmaulsalat. Das verpuffte aber schnell zu jener Art von heißer Luft, die am Naschmarkt als Fritter-Dunst aus den Abzügen geblasen wird.

"Tussy Juice" und "Putins Aftershave"

Das Theatercafé war seitdem zu, die Vereinigten Bühnen als Vermieter sahen sich Branchengerüchten zufolge nach neuen Betreibern um. Seit vergangener Woche aber hält nun Prodinger wieder offen. Er hat sich mit den Betreibern eines Burgerladens in Wien-Alsergrund Partner geangelt, die trotz schwelenden Rechtsstreits mit dem Vermieter in einen Umbau investierten (Teile des ursprünglichen Mobiliars von Hermann Czech stehen aber noch herum) und nunmehr Burger servieren lassen.

Weitere Outlets sind angeblich bereits in Ausführung. Das Hauptaugenmerk scheint auch architektonisch auf der Bar im hinteren Bereich des Lokals zu liegen, die als "Dark Room" tituliert wird, schwarz ausgemalt ist und Cocktails mit echt ure-witzigen Namen zu bieten hat: "Tussy Juice" etwa, eine mit Cranberrysaft geschmacksicher rot gefärbte Flüssigkeit, oder "Putins Aftershave" mit russischem Industriealkohol und Gurke, oder auch "Adios Motherfucker", was angesichts der hochprozentigen Zutaten als handfeste Gästeverarsche gemeint sein dürfte.

Angenehme Labbrigkeit

Die Speisekarte präsentiert sich als Multiple Choice Menu, mit dem man sich seinen Burger zusammenstellen kann. Das macht vor allem ganz jungen Gästen Spaß. Das Laberl wird vergleichsweise akkurat "medium" oder "rare" gegart, bleibt aber ohne erkennbare Bräunung oder gar Röstgeschmack. Das Brot ist gut durchfeuchtet und von angenehmer Labbrigkeit, bei den Toppings darf mit Jalapeño, Bacon, Spiegelei oder auch Avocado und Röstzwiebeln gespielt werden. Die Saucen sind zu süß, zu sauer oder zu süßsauer, Blue Cheese bietet noch am ehesten so etwas wie Punch. Alles in allem kein ganz schlechter Burger – die nahe Konkurrenz von Weinschenke oder Heuer ist halt um Eckhäuser geschmackssicherer aufgestellt.

Bei den Pommes werden allerhand überamerikanische Varianten geboten, auch sogenannte Chili Cheese Fries. Dafür werden Fritten mittels Käse und Scharftunke in etwas verwandelt, das nicht bloß optisch an Brennstäbe nach der Kernschmelze erinnert – wobei: Im Mistkübel einer Frittenbude sieht es ähnlich aus. Noch härter sind nur "Fried Pickles", großformatige Saure-Gurken-Sticks, die paniert und frittiert werden. Klingt, wie vieles hier, nach einer Verkettung zahlreicher unglücklicher Umstände. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 21.11.2014)