In Quito haben es Besucher schwer. Wortwörtlich: Mit knapp 2.800 Metern über dem Meeresniveau liegt keine Hauptstadt der Welt höher. Daran muss sich der Kreislauf des gewöhnlichen Mitteleuropäers erst einmal gewöhnen, an das schwere Atmen, die gebotene Langsamkeit. Wohl auch ein Grund, warum sich bisher ein Spontanbesuch in der ecuadorianischen Hauptstadt verbat.

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Die Dächer von Quito

In den vergangenen Jahren hat der Tourismus im Land aber drastisch zugenommen. Die 1,6-Millionen-Metropole ist dank eines kontinuierlichen Aufschwungs sicherer geworden, die Wirtschaft aufgrund des öffentlichen Zahlungsmittels US-Dollar stabiler. Und bereits zum zweiten Mal in Folge hat Quito bei den World Travel Awards , einer Art "Oscar der Reisebranche", die Auszeichnung als "führende Destination in Südamerika" verliehen bekommen.

In der 1534 von den Spaniern gegründeten Stadt wurden in den vergangenen Jahren viele Kolonialbauten restauriert, die Unesco verlieh 1978 Quito als erster Stadt überhaupt (zusammen mit Krakau) den Titel "Weltkulturerbe". Eine boomende Restaurantszene, ein neuer Flughafen und viele neue Hotels tun ein Übriges, um Quito aus dem touristischen Schattendasein zu erlösen. Im Rahmen einer Südamerika- oder Ecuador-Reise sollte man dieser Stadt zumindest zwei Tage widmen.

Tag 1

8.00 Uhr
Früh aufzustehen fällt leicht am ersten Tag in Quito - dem Jetlag sei Dank. Am besten, man genießt den Morgentee auf der Dachterrasse der Casa Gangotena, einem kürzlich eröffneten Hotel in einem alten Kolonialpalast.

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Die Casa Gangotena

Von dort ist der Ausblick auf die Plaza de San Francisco, mindestens vier koloniale Kirchen mit bunten Mosaikkuppeln und das atemberaubende Schauspiel der Wolken beeindruckend. In der Stadt, sagen die Quiteños, erlebt man drei verschiedene Wettersituationen pro Tag. Wenn man Glück (oder Pech) hat, kann man diese Erfahrung schon nach einer Tasse Tee abhaken.

10.00 Uhr
Die Tour "Quito Like a Local" bringt Interessierten den Alltag der Menschen in der historischen Altstadt, im Viertel San Roque, nahe. Die steile Simon-Bolivar-Straße hinauf liegt etwa das Zuckerlgeschäft "Las Colaciones de Cruz Verde" von Luis Banda.

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Eine steile Straße

Er führt das 1915 gegründete Unternehmen in dritter Generation. Und wie es sich für diese Branche gehört, hat Banda nicht mehr alle Zähne, allerdings auch einen gut trainierten Bizeps. Fast acht Stunden täglich steht der untersetzte Inhaber an einer großen Messingschale, schwenkt sie kraftvoll über einem Feuer und karamellisiert Mandeln oder Haselnüsse darin. An den Wänden hängen wohlwollende Zeitungsberichte über ihn aus den USA, Spanien oder Italien. Stimmt, die frisch gebrannten Süßigkeiten schmecken fabelhaft.

11.00 Uhr
Weiter geht die Tour zum Markt von San Francisco. Er ist nicht der größte der Stadt, aber sehr typisch für sie. Dutzende Erdäpfelsorten bieten die Bauern an, von schrumplig-klein bis tennisballgroß. Aus frischem Obst wird hier übrigens hervorragender Saft gepresst. Eine Attraktion sind die Stände im hinteren Teil der Halle.

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Foto: AP Photo/Dolores Ochoa

Dort sitzen drei Heilerinnen, alte Frauen, deren Wissen über die Kräfte der Kräuter hoch im Kurs steht. Verdauungsprobleme, Herzbeschwerden, Atemprobleme, die Damen helfen. Man kann sich gleich vor Ort hinter einem Plastikvorhang behandeln lassen, besser ist es aber, einen Termin zu vereinbaren - Doña Rosita zum Beispiel macht Hausbesuche im Hotel.

12.00 Uhr
Nach dem Spaziergang durch die schmalen Pflastersteinstraßen ein Schluck "Aguita de la Vida" (Lebenswässerchen) im Kräutertee- und Ölgeschäft "Selva Oriental". Auf Minihockern sitzen die Gäste und staunen über die riesige Auswahl an getrockneten Blättern. Noch ein Stück weiter talwärts wartet der Hutmacher des Viertels - in der "Sombreria Benalcazar". Stolz erzählt der Inhaber, dass die Ecuadorianer den Panamahut erfanden, und zerknirscht erklärt er, dass die lateinamerikanischen Wanderarbeiter vor 100 Jahren den Hut benutzten, um sich beim Bau des Panamakanals vor der Sonne zu schützen und seitdem alle Welt die Kopfbedeckung nur mit Panama in Verbindung bringt. Er kramt bunte Hüte für Umzüge, breitkrempige für Lebensmittelhändler und schmale für Hochzeiten hervor. Nicht alle drängen sich auf, in Europa getragen zu werden.

14.00 Uhr
Jetzt aber zur Geschichte der Stadt. Die lässt sich am besten in einer der alten Kirchen erfahren. Wir empfehlen die 1605 gebaute Kirche Compania de Jesus. Von außen wirkt sie mit den verschlungenen salomonischen Basaltsäulen ein wenig exzentrisch, von innen sieht sie mit der omnipräsenten Goldpracht wie der Wunschtraum einer russischen Milliardärsvilla aus - nur eben viel geschmackvoller. Altar, Decke, Türen, alles ist aus dem Edelmetall gefertigt, das den Kolonialspaniern ihren Reichtum bescherte. Vielleicht um keinen Neid zu provozieren, ist Fotografieren hier verboten.

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Compania de Jesus

Auf dem Rückweg zur Casa Gangotena am besten einen Schlenker über die Plaza Grande machen, dort stehen die größere, aber nicht schönere Kathedrale von Quito und der Carandolet-Palast. In dem prachtvollen weißen Barockbau saß ab dem frühen 17. Jahrhundert die "spanische Krone", heute gehört er der Regierung.

16.00 Uhr
Doña Rosita kommt zum Hausbesuch in die Casa Gangotena. Eine "limpia", also eine Art körperliche Seelenreinigung, steht auf dem Programm. Zuerst bittet Rosita ihre Kunden, sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen, dann streicht sie mit Nesseln über den ganzen Körper (tut wirklich nicht weh), reibt ihn mit Blättern ein und versprüht einen duftenden Kräuterspray.

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Plaza Grande

Die Heilerin hat all ihr Können von ihrer Mutter gelernt, die wiederum ihr Wissen von der Großmutter hat. Nur eines mache die kleine Heilerin nicht mehr: mit Meerschweinchen zu arbeiten. Bei dieser Methode wird das lebende Tier auf den Körper platziert, anschließend getötet, ausgenommen und anhand der inneren Organe auf die Krankheiten des Menschen geschlossen. Antiquiert, findet Doña Rosita. Glück gehabt.

20.00 Uhr
Eines der besten Restaurants ist das "Zazu" in einer Seitenstraße des Geschäftsviertels (Calle Mariano Aguilera 331), also nördlich des alten Zentrums gelegen. Der Küchenchef serviert hochwertige Fusionküche aus einheimischen und asiatischen Zutaten - zu internationalen Preisen.

22.00 Uhr
Wer dann noch nicht fix und fertig ist, nimmt ein Taxi zur Plaza Foch im Bezirk La Mariscal, dem inoffiziellen Vergnügungsviertel von Quito. In den 1940er-Jahren lebten hier wohlhabende Familien in den ruhigen Seitenstraßen, seit 25 Jahren tummeln sich besonders am Wochenende die Quiteños in den Bars und Restaurants rund um den Platz - zum Beispiel im "Dirty Sanchez" oder im "Azuca Beach" (beide in der Calle Reina Victoria).

Tag 2

11.00 Uhr
Quitos Basilika liegt auf einem Hügel. Vom Dachfirst der relativ jungen Kirche - sie wurde 1924 eingeweiht - blicken nicht wie in Europa irgendwelche Fabelwesen herunter, sondern Tiere Südamerikas. Tamanduas, Kaimane, Pumas, wann hat man die schon mal an einem Gotteshaus gesehen?

13.00 Uhr
Am südlichen Zipfel des historischen Zentrums liegt die Straße La Ronda, eine liebevoll restaurierte historische Gasse. Vor Jahren soll es hier noch so zugegangen sein wie in der Bronx der 1970er-Jahre, inzwischen schlendern Touristen durch, um sich lokale Produkte anzusehen.

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La Ronda

Besonders typisch für das Land ist der Edelkakao Ariba, aus dem Schokolade hergestellt wird. Jahrelang exportierte Ecuador die Bohnen, erst seit kurzem entdecken die Einheimischen diesen Luxus für sich. In der Chocolaterie "Chez Tiff" führt ein Schweizer ohne Deutschkenntnisse vor, wie aus den Bohnen die feine Schokolade entsteht. Suchtgefahr!

15.00 Uhr
Vor den Spaniern lebten indigene Völker auf dem heutigen Gebiet von Quito. In der kleinen, aber sehr anschaulichen Casa del Abado können Besucher Funde aus der präkolumbianischen Zeit anschauen. Schmuck, Kultobjekte, kleine Statuen, die alle von einer mehrtausendjährigen Besiedlung erzählen.

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Foto: AP Photo/Dolores Ochoa

17.00 Uhr
Nördlich der Altstadt liegt Floresta - das Künstlerviertel. Hier wohnen viele Schauspieler, Maler und Schriftsteller von Quito, es gibt ein Programmkino, "Ocho y Media" (benannt nach dem Fellini-Film Achteinhalb), Musikbars, Galerien und schicke Restaurants. Ein Spaziergang durch die Calle Toledo oder Valladolid gibt einen guten Einblick, wie die Mittelschicht lebt.

20.00 Uhr
In Floresta, in der Calle Pontevedra, hat 2012 das Restaurant "Lua" eröffnet. Der ehemalige Chefkoch des "Zazu", Alexander Lau, begrüßt seine Gäste in der umgebauten Villa mit Pisco-Mixgetränken, deren Basis ein Destillat aus Traubenmost ist, und serviert köstliche Tunfisch-Variationen. Lau empfiehlt, einfach mehrere Gerichte zu bestellen und wie Tapas zu teilen. Wer es es nicht schafft, alles an einem Abend zu kosten, dem bleibt nur eines übrig: wiederzukommen in diese unterschätze Stadt. (Ulf Lippitz, Rondo, derStandard.at, 21.11.2014)