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Studierende in Kriegs- und Krisengebieten finanziell und ideell zu unterstützen ist das Ziel der Organisation "Studieren ohne Grenzen" - ein Schwerpunktregion ist auch Herat in Afghanisatin - im Bild eine Studentin.

Foto: EPA/JALIL REZAYEE

Tübingen/Wien - Alles begann mit einem Praktikum. Felix Weth, damals noch Student der Politikwissenschaft, besuchte 2006 den Kongo und bemerkte, dass es der jungen Bevölkerung vor allem an einem fehlt: Zugang zu Bildung.

Für Weth stand fest, dass Bildung der Schlüssel zu Entwicklung ist, weil junge Menschen dadurch mehr Möglichkeiten haben. Zurück in Europa gründete er den deutschen Ableger der Organisation "Studieren ohne Grenzen" (SOG), die ihre Anfänge in Frankreich nahm.

Kernanliegen der Organisation ist es, Studierende aus Kriegs- und Krisengebieten finanziell und ideell zu unterstützen. In den Anfängen bedeutete dies vor allem, Studierende aus Krisengebieten herauszuholen. Die französische Organisation unterstützte vor allem junge Menschen aus Tschetschenien und brachte sie durch Stipendien an französische Unis.

"In Deutschland haben wir nach der Gründung Ende 2006 rasch ausgebaut", sagt Jan Knauer, Vorsitzender des internationalen Dachverbandes von SOG. Auch in Kanada, Italien und Spanien existieren Gruppen - in Österreich gibt es bislang keinen Ableger.

In Deutschland zählt SOG mittlerweile knapp 1000 Mitglieder, etwa 200 davon engagieren sich aktiv und regelmäßig. "Wir führen 16 Lokalgruppen, und das Engagement ist rein studentisch." Für Knauer war dies der Aspekt, der ihn zu der Gruppe brachte. Studentisches Engagement habe in Deutschland Tradition. Durch Bologna sei das zwar etwas schwieriger geworden, aber es würden sich noch immer viele junge Menschen melden.

"Wenn man mit 80 dasitzt, wird man seinen Enkeln nicht von den Vorlesungen erzählen", sagt Knauer; er wollte etwas bewegen.

Stipendiantin aus Tschetschenien

Tschetschenien blieb auch in der deutschen Gruppe ein wichtiger Fokus. Zalina war eine der ersten Stipendiaten: "Ich wusste schon immer, dass ich aus Tschetschenien weg muss, wenn ich etwas erreichen will", sagt die 27-Jährige, die ihren Nachnamen nicht nennen will.

Sie bewarb sich 2008 für eine große Ausschreibung der Regierung, insgesamt hundert Studierende sollten zum Studium nach Großbritannien und Deutschland geschickt werden. Zalina wurde versichert, dass sie eine sehr gute Bewerbung habe - weil sie eine Frau ist, bekam sie keinen Platz. "Meine Heimat ist extrem frauenfeindlich. Mir wurde gesagt, ich solle lieber daheimbleiben."

Zalina gab ihren Traum nicht auf und wurde wenige Monate später auf SOG aufmerksam. "Mir war egal wohin, ich wollte nur weg", sagt Zalina. 2009 klappte es, und sie begann in Tübingen mit einem zehnmonatigen Deutschkurs, danach startete sie das Informatikstudium. SOG unterstützte Zalina finanziell und bei den Behördengängen - "das war eine neue Welt für mich", sagt sie.

Den Master schließt Zalina nächstes Jahr ab, danach möchte sie das Bildungssystem in Tschetschenien verbessern. "Es wäre eine Lüge zu sagen, ich will dort leben. Es herrscht eine Diktatur, es gibt keine Jobchancen und viel Korruption. Doch ich will etwas verändern."

Kongo bis Afghanistan

Projekte gibt es mittlerweile auch in Afghanistan, im Kongo und seit kurzem in Sri Lanka. "Neue Länder kommen meist aus persönlichem Interesse hinzu", sagt Knauer. Viele der Studierenden reisen in Krisengebiete, absolvieren Praktika, knüpfen Kontakte und möchten sich mit den Menschen weiter austauschen.

Studierende nach Deutschland zu holen ist nicht mehr der einzige Fokus. Es werden auch Stipendien für Unis vor Ort vergeben, wie im Kongo und in Afghanistan, "außerdem sammeln wir Bücher für die Bibliotheken".

Die Zusammenarbeit mit Betroffenen in Krisengebieten ist oft eine Herausforderung - aktuell im Ostkongo, wo rund 80 Studierende unterstützt werden. "Die Städte sind immer wieder abgeschnitten, und wir erreichen tagelang niemanden", sagt Knauer.

Und woher kommt das Geld? "Das Wichtigste ist Motivation - alles andere, auch das Geld, ergibt sich immer irgendwie." SOG organisiert dafür Spendenläufe, Partys und macht bei Wettbewerben von Stiftungen mit.

"Man lernt durch die abwechslungsreiche Arbeit viel. Solche Erfahrungen macht man im Studium nicht", sagt Knauer. (Lara Hagen, DER STANDARD, 20.11.2014)