Backpacker, die durch Südamerika trampen, gibt es viele. Auch Blogs darüber. Der Grazer Student David Dukaric scheint mit seinem Blog "Viva la Vida" allerdings den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Woran das liegt? An besonders ausgefallenen Zielen und extremen Abenteuern? Eher im Gegenteil. Dukaric wollte möglichst viele Sehenswürdigkeit "in echt" erleben und suchte deshalb die planerische Sicherheit vorausgebuchter Touren. Aber will das jemand in einem Blog lesen? Ja, genau davon wollen besonders viele lesen, wie die Erfahrung mit "Viva la vida" zeigt.

STANDARD: Warum gerade Südamerika?
Dukaric: Ich bin früher viel mit dem Auto herumgefahren in Europa. Zu Beginn nach Deutschland und Holland. Dann häufiger in den Südwesten. Und wie die Spanier feiern, wenn sie etwa bei der Tomatina mit Paradeisern werfen, hat mich fasziniert. Es erschien mir naheliegend, dass es in Südamerika ähnlich fröhlich zugeht.

STANDARD: Sie sprechen kaum Spanisch. War das ein Problem?

Dukaric: Nur in Bolivien. Überall anders kam immer jemand dazu, der auf Englisch übersetzten konnte. Man ist unterwegs selten alleine.

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Die Iguazú-Wasserfälle im argentinisch-brasilianischen Grenzgebiet gelten als Pflichtübung auf einer Südamerikareise. Einsam ist es dort nicht
Foto: Reuters / Jorge Adorno

STANDARD: Im ersten Monat sind Sie mit einem Freund gereist, erst danach allein. Hatten Sie manchmal ein ungutes Gefühl?

Dukaric: Wie gesagt: Man ist nie allein. Die Leute reden einen überall an, auf der Straße, im Bus, im Hostel, überall. Als ich in Argentinien, in Calafate, allein 24 Kilometer bis zum Moreno-Gletscher gegangen bin, war ich richtig froh, einmal nicht reden zu müssen. Mit "ungut" meinte ich auch die Sicherheit: für Backpacker oft ein Thema. Man bekommt so viel Negatives von Freunden erzählt! Ich wollte ihnen einmal beweisen, dass Südamerikareisen nicht unsicher sein müssen. Mir ist nicht einmal etwas gestohlen worden während der gesamten Tour. Man muss halt den Hausverstand einschalten: Wenn man ein ungutes Gefühl hat in einer Straße, nimmt man eine andere.

STANDARD: Es ist nie etwas passiert?

Dukaric: Nein, nur am Anfang in Bogotá habe ich mich ein wenig unwohl gefühlt. Da bin ich wie ein Touri aus dem Bilderbuch mit der Kamera um den Hals spazieren gegangen. Ich war auch der Einzige mit kurzen Hosen. Dadurch habe ich Blicke auf mich gezogen. Dann ist ein Auto stehen geblieben, und ein Familienvater hat die Scheibe herunterkurbelt, nur um mir zu sagen, ich solle die Kamera nicht so offen herumtragen.

STANDARD: Sie haben sich drei Monate lang auf Ihre Reise vorbereitet. Das klingt lange für eine dreimonatige Reise.

Dukaric: Ich wollte unbedingt auf die Galapagosinseln und in die Antarktis. Wenn man das vorhat, muss alles perfekt passen. Von Bogotá bis Ushuaia und in die Antarktis habe ich alles von zu Hause über ein Reisebüro vorausgebucht. Erst der letzte Abschnitt bis Santiago de Chile war nicht organisiert.

STANDARD: Warum nicht nur einen Flug buchen?

Dukaric: Die Routenplanung hing letztlich vom Karneval in Rio ab. Da wollte ich unbedingt hin.

STANDARD: Und - war es so gut wie erhofft?

Dukaric: Besser. Ich kenne den Karneval nur vom Fernsehen, ich habe ihn oft mit meinen Eltern angeschaut. Günstig war’s nicht: 100 Euro für eine Karte im Touristensektor.

50.000 Kilometer legte David Dukaric zwischen Bogotá und Santiago de Chile zurück.
Karte: Der Standard

STANDARD: Wenn Sie in Rio wegen des Karnevals waren, haben Sie in Buenos Aires bestimmt Tango getanzt.

Dukaric: Ich habe es selbst nicht probiert, aber bei einem Milonga-Abend von Einheimischen genau zugeschaut. Irgendwann redet man dann immer über Fußball und den Papst. Auf den sind die Argentinier sehr stolz.

STANDARD: Worum geht es beim Reisen? Dinge, die man aus dem Fernsehen kennt, in echt zu sehen, oder darum, Dinge zu entdecken?

Dukaric: Für mich ist es das Erste. Man hat eine Vorstellung von Machu Picchu, kann es sich aber gar nicht vorstellen. Man muss das sehen. Zudem bin ich sehr tierlieb. Deshalb die Galapagosinseln und die Antarktis: Pinguine zum Angreifen! Das hat mir viel gegeben. Auch wenn man sie eigentlich nicht angreifen soll.

STANDARD: Geht es darum, positive Erwartungen und Klischees in Reiseblogs zu bestätigen?

Dukaric: Schwer zu sagen. Ich wollte den Blog nur für mich machen. Aber die Leser haben negativ reagiert, als ich über Bolivien so subjektiv geschrieben habe. Das hat mich geärgert.

STANDARD: Warum dann nicht Tagebuch schreiben?

Dukaric: Das wollte ich ja! Und dann online stellen.

STANDARD: Ist ein Blog nicht mehr als das?

Dukaric: Das habe ich gemerkt, als ich das geschrieben habe, was nur mich interessiert.

STANDARD: Wurden alle Ihre Erwartungen bestätigt? Oder gab es auch Enttäuschungen?

Dukaric: Jeder hat gesagt: "Du musst dir unbedingt die Iguazú-Wasserfälle anschauen." Die waren eh nicht schlecht, aber sehr touristisch. Und dass mir Bolivien nicht so gut gefallen hat, wissen jetzt alle. (Sascha Aumüller, Rondo, DER STANDARD, 21.11.2014)

Blog "Viva la Vida" auf: derStandard.at/Reisen