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Ein Schnellboot der spanischen Marine patrouilliert nahe dem Bohrschiff des Mineralölkonzerns Repsol vor Lanzarote.

Foto: EPA / Javier Fuentes

Viele der zwei Millionen Bewohner der Kanarischen Inseln kennen sie, die Koordinaten 28° 33' 34'' N; 13° 11' 36'' W. Sie bezeichnen den Ort im Meer, an dem der spanische Erdölkonzern Repsol seit Mittwoch Probebohrungen durchführt. Insgesamt soll es acht davon geben. Rund 50 Kilometer vor Lanzarote und Fuerteventura werden Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet.

Die Bevölkerung sowie die Regional- und Inselregierungen der Kanaren lehnen die Prospektionen mehrheitlich ab. Sie befürchten Umweltschäden und Gefahren für den Tourismus.

Erstes Bohrschiff

Das erste Bohrschiff wurde am Wochenende auf dem Meer von Umweltaktivisten und Gegnern des Vorhabens erwartet. Die spanische Marine hat bei dem Versuch, Greenpeace-Aktivisten zu stoppen, das Schiff der Organisation gerammt. Zwei Personen wurden verletzt. Am Dienstag wurde die "Arctic Sunise" von den spanischen Behörden dann offenbar beschlagnahmt.

Die spanische Regierung gab an, dass gegen Greenpeace Ermittlungen "wegen Nichtbeachtung einer Sperrzone für Schiffsverkehr und Fischerei" eingeleitet worden seien. Eine Beschlagnahme der "Arctic Sunrise" wurde nicht bestätigt.

50.000 Euro "Kaution"

Greenpeace-Sprecher Julio Barea sagte allerdings der Nachrichtenagentur AFP, Spanien fordere eine Kaution in Höhe von 50.000 Euro. Die Regierung hatte Greenpeace zuvor vorgeworfen, das Repsol-Schiff habe geentert werden sollen. Dies wies Greenpeace zurück.

Der Vorfall zeigt, wie verhärtet die Fronten sind. Repsol hat bereits vor zwölf Jahren einen Antrag auf Probebohrungen gestellt. Gegner hatten den Bundesgerichtshof eingeschaltet und Spaniens sozialistische Vorgängerregierung das Projekt archiviert. Der konservative Premier Rajoy gab Anfang 2012 dann grünes Licht. Seitdem gibt es Streit zwischen der kanarischen Regierung und Spaniens Zentralregierung.

Zehn Prozent des täglichen Bedarfs

Für Madrid geht es um die "Verteidigung vitaler und strategischer Interessen Spaniens und die freie Nutzung verfügbarer Energiereserven". Spanien fördert derzeit nur einen kleinen Teil seines Erdölverbrauchs vor der katalanischen Küste. Vor den Kanaren könnte das Land rund zehn Prozent seines täglichen Bedarfs selbst produzieren. Die Wahrscheinlichkeit, dort auf wirtschaftlich rentable Vorkommen zu stoßen, beziffert Repsol gegenüber der Tageszeitung "El Mundo" allerdings mit nur 18 Prozent.

Öl- und Gasförderung brächten den Kanaren zudem wirtschaft liche Diversifizierung und in den ersten Jahren bis zu 5000 Arbeitsplätze, so ein weiteres Argument der Zentralregierung. Die Inseln haben eine Arbeitslosenquote von mehr als 30 Prozent, eine der höchsten von Spanien.

Energieautarkes El Hierro

Regionalpräsident Paulino Rivero setzt dagegen, dass die Kanaren seit Jahren auf Nachhaltigkeit und Naturtourismus setzen. El Hierro ist beispielsweise seit kurzem energieautark, die Insel produziert ihren Bedarf mit Wind- und Wasserenergie. Die am stärksten betroffenen Inseln Fuerteventura und Lanzarote sind Biosphärenreservate.

Paradoxerweise hat das Umweltministerium nun, nachdem es im Mai den Bohrungen zugestimmt hatte, die Ausschreibung eines großen Meeresreservats direkt neben dem Prospektionsareal initiiert. In den Gewässern vor Fuerteventura und Lanzarote leben viele vom Aussterben bedrohte Arten wie die Echte Karettschildkröte, der Zwergpottwal und der Schnabelwal.

Marokkanische Tatsachen

Marokko hat indes Tatsachen geschaffen. Der britisch-türkische Konzern Genel Energy hat vergangene Woche vor Marokkos Küste Erdöl entdeckt, auf Höhe der Kanaren. Marokko erlaubt Energiekonzernen, für zehn Jahre und steuerfrei, vor seiner Küste zwischen Gibraltar und Mauretanien Probebohrungen und Förderung durchzuführen. Das marokkanisch-kanarische Gewässer ist darüber hinaus ein Highway für Öltanker. Bis zu 180 Schiffe bringen dort jeden Monat afrikanisches Rohöl nach Europa. (Brigitte Kramer, DER STANDARD, 20.11.2014)