Kathrin Nachbaur, Klubobfrau des Teams Stronach, hat kürzlich ihrem Parlamentsklub den Rücktritt angeboten. "Es wurde ja öfter von einem starken Mann gesprochen. Ich habe angeregt, darüber nachzudenken, ob die Führung des Klubs so gewünscht ist", sagt Nachbaur.

Der "starke Mann" sei der Wunsch des Parteigründers Frank Stronach. Aber: "Mir wurde einstimmig das Vertrauen ausgesprochen." Im Interview mit derStandard.at spricht sich Nachbaur für die Legalisierung von Cannabis zu medizinischen Zwecken und für die Einführung einer verpflichtenden Pflegeversicherung aus.

Foto: Robert Newald

derStandard.at: Sie werden Mutter. Als Abgeordnete haben Sie allerdings kein Recht darauf, in Karenz zu gehen. Ist das eine besondere Herausforderung?

Nachbaur: Ich glaube, es ist für jede Frau eine besondere Herausforderung, alles Mögliche zu jonglieren. Wir hatten in der Team-Stronach-Akademie kürzlich eine spannende Diskussion zu diesem Thema. Die Publizistin Birgit Kelle meinte: Dieses Thema mit Vereinbarkeit von Kindern und Beruf ist ein Märchen. Es gibt hier nichts zu vereinbaren. Es geht nur darum, Verantwortlichkeiten aneinanderzureihen und Aufgaben zu addieren.

derStandard.at: Sollte es für Abgeordnete möglich sein, in Mutterschutz zu gehen?

Nachbaur: Ich denke, daran wurde nie gedacht, weil die Politik traditionell von Männern gestaltet wurde. Aber ich denke, andere Frauen haben es noch viel schwerer. Als Abgeordnete hat man doch eine gewisse zeitliche Flexibilität.

derStandard.at: In einem Zeitungsbericht heißt es über Ihre Schwangerschaft: "Wie stellt sich Nachbaur ihre politische Zukunft vor?" Stört es Sie, dass Sie sich als Frau diese Frage gefallen lassen müssen? Als Verteidigungsminister Klug kürzlich Vater wurde, hat sich das auch niemand gefragt.

Nachbaur: Ich werde mir dazu meine Gedanken machen und schauen, dass ich alles so gut wie möglich organisiere.

derStandard.at: Sie haben kürzlich gesagt, das Team Stronach will stark für Frauen auftreten, aber Sie wollen keine Kampfemanze sein. Was sind Kampfemanzen?

Nachbaur: Ich bin ein sachpolitischer und lösungsorientierter Mensch und polarisiere nicht extrem. Auch wenn ich dafür in Kauf nehmen muss, dass diese Sachlichkeit von den Medien oft nicht wahrgenommen wird. Es ist auch nicht meine Art, mit Ängsten Politik zu machen.

derStandard.at: Frank Stronach war kürzlich in Wien, er war im Prozess gegen Peter Westenthaler als Zeuge geladen. Wird es neue Weichenstellungen für das Team Stronach geben?

Nachbaur: Ich würde Sie bitten, dazu Frank Stronach zu interviewen.

derStandard.at: Bisher hatte Herr Stronach bei vielen seiner Heimatbesuche Neuerungen für das Team Stronach im Gepäck. Diesmal also nicht?

Nachbaur: Er hat schon öfter gesagt, er wünscht sich zusätzlich einen starken Mann. Ich soll das freundliche und sachliche Gesicht der Partei sein. Gleichzeitig wünscht er sich natürlich, dass dann auch forscher aufgetreten wird, damit die wichtigsten Punkte, für die er steht, auch stark medial wahrgenommen werden.

derStandard.at: Gibt es einen "starken Mann", der konkret im Gespräch ist?

Nachbaur: Wir haben viele gute Leute, und ich würde diese Frage gerne an Frank Stronach weiterschicken.

derStandard.at: Lässt sich das "freundliche Gesicht" mit einem gleichberechtigten Polterer vereinbaren? Oder kämen Sie dann wieder in Erklärungsnot – Stichwort Todesstrafe, Mafia-Type?

Nachbaur: Ich bin sachlich, lösungsorientiert und fundiert. Ich recherchiere sorgfältig, hole Expertenmeinungen ein. Wie die Kommunikation dann in Zukunft gestaltet sein möge ... ich hoffe, dass es gelingt, Frank Stronachs wichtigste Botschaften an die Leute zu bringen.

derStandard.at: Gibt es für den ehemaligen Klubobfrau-Stellvertreter Marcus Franz schon einen Nachfolger?

Nachbaur: Nein.

derStandard.at: Herr Stronach hat angekündigt, er wolle sich bei der steirischen Landtagswahl engagieren. In welcher Form?

Nachbaur: Ich habe den Eindruck, dass er sich sehr stark einbringen möchte. Er ist jetzt sehr oft in der Steiermark.

derStandard.at: Als Spitzenkandidat?

Nachbaur: Das glaube ich nicht.

derStandard.at: Gibt es ein Wahlziel?

Nachbaur: Frank hat in einem Interview selbst zehn Prozent genannt.

derStandard.at: Wollen Sie bei den Landtagswahlen in Oberösterreich, dem Burgenland und Wien antreten?

Nachbaur: Das ist alles eine Entscheidung des Obmanns.

derStandard.at: Was sagen Sie als seine Stellvertreterin?

Nachbaur: Bitte fragen Sie das Frank Stronach.

derStandard.at: Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat gesagt, die Regierung muss die Steuerreform bis März auf die Reihe kriegen, sonst hat die Koalition kein Recht mehr zu existieren. Was halten Sie von dieser Neuwahldrohung?

Nachbaur: Wenig. Und ich hoffe, dass die ÖVP bei der Vermögens- oder Millionärssteuer nicht umfällt, denn das ist das Letzte, was unser Land braucht. Die Topverdiener haben jede Möglichkeit, aus diesem Land zu gehen. Wenn es tatsächlich ein Volumen bringen soll, braucht es eine Massensteuer. Eine neue Massensteuer überspannt den Bogen, denn das Steueroptimum ist längst überschritten. Der Wille, oder vielleicht ist es auch die Not der Menschen, auszuweichen, nimmt progressiv zu.

derStandard.at: Nehmen wir an, es würde im Frühjahr zu Neuwahlen kommen, das wäre eine Katastrophe für das Team Stronach. Sie liegen in den Umfragen bei einem Prozent.

Nachbaur: Neuwahlen wären generell schlecht für das Land. Die Regierung soll lieber schauen, dass sie einmal ihr Regierungsprogramm einhält, da wird Vollbeschäftigung angestrebt, davon sind wir weit entfernt mit 400.000 Arbeitslosen.

derStandard.at: Denken Sie, Sie würden wieder in den Nationalrat gewählt werden?

Nachbaur: Das wäre so bald ein großes Risiko. Aber jedes Risiko birgt auch eine Chance. Wir haben die besten Lösungsvorschläge, wie man die Wirtschaft wieder in Gang bringen kann, damit es Arbeitsplätze gibt. Für uns ist am wichtigsten: Leistung und Fleiß müssen sich lohnen. Arbeiten zahlt sich immer weniger aus. Und Schuldenmachen ist sozial zutiefst ungerecht, das hat sogar Sigmar Gabriel von der SPD erkannt.

derStandard.at: Glauben Sie, dass Sie das Image des Teams Stronach verbessern und sich vom polarisierenden und immer noch nachwirkenden Nationalratswahlkampf von Frank Stronach emanzipieren werden können?

Nachbaur: Ich hoffe stark, dass wir ein seriöses und gutes Image aufbauen. Frank Stronach hat polarisiert, aber in der Sache hat er recht behalten. Er hat prophezeit, dass neue Schulden gemacht werden, dass neue Steuern kommen und dass die Arbeitslosigkeit steigt. Genau das ist passiert.

derStandard.at: SPÖ-Chef Werner Faymann muss sich in einer Woche seiner Parteibasis zur Wiederwahl stellen. Wird sich Frank Stronach auch die Legitimation der Basis holen?

Nachbaur: Ich glaube, es ist sehr wichtig in einer Demokratie, dass man auch innerhalb einer Partei demokratisch legitimiert ist. In Frank Stronachs Fall ist es aber sicher eine Besonderheit, weil er der Gründer und Finanzier der Bewegung ist. Wir sind ihm sehr dankbar, dass er das gemacht hat. Aber natürlich sind demokratische Werte sehr, sehr wichtig.

derStandard.at: Sehen Sie sich selbst als Klubobfrau demokratisch legitimiert?

Nachbaur: Ja, ich wurde einstimmig gewählt. Auch unlängst haben wir darüber gesprochen, wie wir stärker auftreten können, wie wir auch angriffiger kommunizieren können. Es wurde ja öfter von einem starken Mann gesprochen. Ich habe angeregt, darüber nachzudenken, ob die Führung des Klubs so gewünscht ist. Erfreulicherweise hat der Klub mir und meiner geschäftsführenden Klubobfrau Waltraud Dietrich einstimmig das Vertrauen ausgesprochen. Das stärkt uns sehr.

derStandard.at: Sie haben angeboten, als Klubobfrau abzutreten?

Nachbaur: Ja, ich habe mit vielen meiner Kollegen darüber gesprochen. Das Feedback war, die Struktur im Klub so beizubehalten, wie sie ist.

Foto: Robert Newald

derStandard.at: Wie viele Parteimitglieder haben Sie derzeit?

Nachbaur: Bundesweit sind es rund 400.

derStandard.at: Die Neos haben bessere Umfragewerte als Sie. Haben Sie schon einmal an ein Wahlbündnis gedacht?

Nachbaur: Wirtschaftspolitisch gibt es tatsächlich Überschneidungen, aber wir haben beispielsweise mit der Liberalisierung von Drogen nichts am Hut. Wir sollten schauen, dass die Kinder mehr Sport betreiben.

derStandard.at: Die Freigabe von Cannabis für medizinische Zwecke kommt für Sie auch nicht infrage?

Nachbaur: Unser Abgeordneter Marcus Franz, der auch Internist ist, hat uns erklärt, dass das für medizinische Zwecke sinnvoll ist. Für medizinische Zwecke unterstützen wir die Freigabe von Cannabis. Wir sind aber gegen eine allgemeine Legalisierung.

derStandard.at: Das Fortpflanzungsmedizingesetz wird geändert, weibliche homosexuelle Paare sollen sich künftig mit Samenspende fortpflanzen können. Auch die Eizellenspende soll erlaubt sein. Unterstützen Sie das?

Nachbaur: Ich habe die Argumentation vom Verfassungsgerichtshof durchgelesen, und das Gesetz war tatsächlich unschlüssig und reparaturbedürftig. Grundsätzlich ist die Welt von der Natur aber so geschaffen, dass sich Frau und Mann fortpflanzen. Ich habe mir auch Gedanken über das Einfrieren von Eizellen auf Firmenkosten gemacht, wie das bei einer amerikanischen IT-Firma möglich ist. Das ist meines Erachtens die komplette Ausbeutung der Frau. Für den Arbeitgeber wird so transparent: Wer möchte der Sklave für uns sein in den nächsten zehn, 20 Jahren, und wer will auf natürlichem Wege Mutter werden.

derStandard.at: Wofür möchten Sie bei der nächsten Wahl gewählt werden, abgesehen von Ihren wirtschaftspolitischen und frauenpolitischen Positionen?

Nachbaur: Ich war kürzlich in Graz in einem Behindertenheim, in dem Fälle aufgenommen werden, die zu Hause nicht überlebensfähig wären. Diese Einrichtung bekommt vom Staat kaum Geld, sie wird von der Kirche und von Privaten finanziert. Das hat mich sehr berührt. Das Geld des Steuerzahlers versickert an den falschen Stellen. Das will ich verstärkt aufzeigen.

Auch gibt es keine Lösung für das Thema Pflege im Alter. Ein Blick auf die demografischen Daten zeigt: Österreich ist am besten Weg, ein Seniorenheim zu werden. Aber wer soll die Pensionen und die Pflege zahlen? Hier herrscht dringender Handlungsbedarf. Wir treten daher auch für eine verpflichtende Pflegeversicherung ein, wenn einmal die Steuer- und Abgabenlast deutlich gesenkt ist. Und der Dienst am Menschen muss in diesem Land mehr wert sein. Die Pflegeberufe sind extrem anstrengend und herausfordernd und so gering bezahlt. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 20.11.2014)