Nach elfjähriger Pause meldete sich heuer eine der beliebtesten Bands aus der klassischen Zeit progressiver Rockmusik mit neuem Album zurück. Time On Our Side heißt der aktuelle Tonträger von Colosseum, deren LPs Those Who Are About To Die Salute You - Morituri Te Salutant und Valentyne Suite sowie das Livealbum von 1971 seinerzeit in keiner fortschrittlichen WG fehlen durfte. Jetzt kommt die Combo in klassischer Besetzung ins Salzburger Rockhouse, um zu zeigen, dass die Zeit zwar nicht spurlos an ihr vorbeigegangen ist, aber Alter und Krankheit die Lust am Musizieren nicht vertreiben kann. Die Colosseum-Gründer, Schlagzeuger Jon Hiseman und Saxofonist Dick Heckstall-Smith, waren Mitglieder der Bluesbreakers des britischen R&B-Pioniers John Mayall. Zuvor hatte das Duo schon in der Fusionpartie Graham Bond Organisation mit Jazz experimentiert. Als sie 1968 Colosseum aus der Taufe hoben, gehörten sie mit Soft Machine und Patto zu den ersten Bands, denen die üblichen Blues- und Garagenrockschemata zu fad wurden. Das Sextett fusionierte aggressive Wah-Wah-Gitarrenriffs mit treibenden Bläsersätzen und einer dynamischen Rhythmusgruppe zum Stilhybrid Jazzrock.
Für John Peel, Fan der ersten Stunde, spielte die Combo drei Sessions ein. Als Punk in den 1970ern regierte und den Dinosauriern den Kampf ansagte, gab Colosseum auf. 1994 tat sich die Gruppe erneut zusammen, Hisemans Lebenspartnerin Barbara Thompson nimmt seit 2003 den Platz des verstorbenen Heckstall-Smith ein. Dazu röhrt Chris Farlowe, wie in alten Zeiten, als er Charthits mit Rolling-Stones-Songs (u. a. Out Of Time) oder Mike d'Abo's Handbags & Gladrags hatte. Hiseman, Thompson, Farlowe sowie Mark Clarke (Bass), Clem Clempson (Gitarre) und Dave Greenslade (Orgel) bilden auch das aktuelle Line-up. Die Produktion von Time On Our Side dauerte wegen der Parkinson-Erkrankung Thomp-sons vier Jahre und drohte zu scheitern, nur ein neues Medikament ermöglicht es der Saxofonistin nun noch einmal die Tourstrapazen durchzustehen. Immun zeigt sich das Septett gegenüber Moden und reinem Selbstplagiat: Den Song You Just Don't Get hätten Steely Dan gern geschrieben. (dog, DER STANDARD, 21.11.2014)