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Werbebanner des französischen Atomstromkonzerns Areva. Der Staat muss zwei Milliarden Euro beisteuern, um das Unternehmen zu retten.

Foto: Foto: Reuters/Benoit Tessier

Die Ankündigung klang ziemlich technisch. Das Ziel, den frei verfügbaren Cashflow annähernd ausgeglichen zu gestalten, werde 2014 wohl nicht erreicht, ließ Areva Mitte der Woche in einem Kommuniqué verlauten. In Paris schlug die Neuigkeit aber wie eine Bombe ein. Der Aktienkurs von Areva sackte bis zum Donnerstag um fast 20 Prozent ab. Le Figaro sprach von einem "Albtraum", das Wirtschaftsmagazin Challenges ortet "allgemeine Panik" in der Chefetage.

Dort hatte Generaldirektor Luc Oursel schon Ende Oktober den Hut genommen - "aus gesundheitlichen Gründen", wie es hieß. Dann wurde Verwaltungsratspräsident Pierre Blayau von der Regierung - sie hält 87 Prozent der Anteile an Areva - gefeuert. Die neue Interimsleitung mit dem ehemaligen Peugeot-Boss Philippe Varin und Philippe Knoche hat als vorrangige Aufgabe, den Bankrott des bisher so stolzen Atomkonzerns zu verhindern. Seine 45.000 Angestellten decken die ganze Kernkraftkette ab, von der Uranförderung in Westafrika und Lieferung von Kernbrennstoff über den AKW-Bau und -Unterhalt bis zur Wiederaufbereitung und Endlagerung.

Der Konzernumsatz von 9,2 Milliarden Euro sagt wenig aus über den Stellenwert des Unternehmens, das in Frankreich als Speerspitze nicht nur der Atomsparte, sondern der ganzen französischen Industrie gilt. Areva, das war die Quintessenz französischer Ingenieurskunst, gegründet von der Starmanagerin Anne Lauvergeon ("Atomic Anne"), ein Unternehmen, so solide und strahlend wie der Eiffelturm.

Jetzt, fast über Nacht, steht Areva schiefer da als der Turm von Pisa. Selbst die glorreiche Vergangenheit unter Lauvergeon gerät in ein schiefes Licht: Ein Uranminen-Deal liebt bei der Justiz, und bei dem im finnischen Olkiluoto seit 2004 gebauten Druckwasserreaktor EPR haben sich die Milliardenkosten verdreifacht. Areva hatte diese neue AKW-Generation zusammen mit Siemens entwickelt und behauptet, sie sei viel sicherer als die aktuellen Kernkraftwerke; im Unterschied etwa zum Fukushima-Reaktor verfüge der EPR über interne Kühlsysteme.

In Flamanville in der Normandie, wo derzeit auf einer der größten Baustellen Europas (3600 Arbeiter) ein weiterer EPR entsteht, stellte aber die Atomsicherheit bereits "Risse" in den inneren Reaktorwänden fest; das Pariser Wochenblatt Canard Enchaîné sprach gar von "42 Zentimeter großen Löchern". Und wie in Finnland türmen sich in Flamanville die Kosten.

USA ziehen Schieferöl vor

Der Hauptgrund für den lange kaschierten, nun umso tieferen Fall von Areva ist allerdings die weltweit lahme Konjunktur für Kernenergie. Die USA ziehen ihr derzeit Schieferöl vor, Japan kehrt nur sehr zögernd zur Kernkraft zurück. Auch Deutschland war bis zum Atomausstieg ein weiterer wichtiger Markt für den französischen Konzern, der seit sieben Jahren und trotz neuer Kontakte zu Indien oder Südafrika kein einziges AKW mehr verkauft hat.

Zumindest in der Öffentlichkeit legte Areva aber bis vor kurzem noch einen unverbrüchlichen Optimismus an den Tag. Umso böser ist nun das Erwachen: Der französische Staat - der sich selbst nach der Decke streckt - wird wohl zwei Milliarden Euro beisteuern müssen, um seinen Prestigekonzern zu retten. Wie bei einer Bad Bank sollen die faulen Bereiche aus dem Unternehmen ausgelagert werden - was für die französischen Steuerzahler noch teurer kommen dürfte. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 21.11.2014)