Im ostdeutschen Thüringen sind die Weichen auf Rot-Rot-Grün gestellt. Acht Wochen nach der Landtagswahl haben Linke, Sozialdemokraten und Grüne nun ihren Koalitionsvertrag präsentiert. Es ist der erste Koalitionsvertrag in Deutschland, der unter Führung der Linkspartei zustande gekommen ist. Diese wird - wenn weiter alles nach Plan verläuft - ab dem 5. Dezember auch den ersten linken Ministerpräsidenten in Deutschland stellen.

"Wir haben auf Augenhöhe verhandelt", erklärte Linke-Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow am Donnerstag bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags. Und sie sagte auch jenen Satz, mit dem der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder 1998 angetreten war: "Wir werden nicht alles anders, aber vieles besser machen."

Bemerkenswert am Koalitionsvertrag: Gleich in der Präambel wird die DDR als "Unrechtsstaat" bezeichnet. In den Sondierungsgesprächen hatte es heftige Diskussionen über diese Formulierung gegeben. Viele Linke, darunter auch Bundestags-Fraktionschef Gregor Gysi, wollten den Begriff nicht akzeptieren.

Doch die Linke in Thüringen setzte sich schließlich durch, weil sie der Forderung von Grünen und SPD in Erfurt nachgeben musste, um ihre linkes Regierungsbündnis schmieden zu können.

Ein "Reformbündnis" soll es sein, das erklären Vertreter aller Parteien. "Wir sind uns einig, dass es mit Rot-Rot-Grün keine neuen Schulden geben wird", sagt SPD-Landeschef Andreas Bausewein.

Rot-Rot-Grün plant außerdem ein kostenfreies erstes Kindergartenjahr und will mehr Lehrer einstellen. Verwaltungskosten sollen durch Zusammenlegung von Landkreisen gespart werden. Ein zentrales Vorhaben ist die Reform des Landesverfassungsschutzes. V-Leute sollen nur noch in einzelnen Fällen eingesetzt werden. Dies ist eine Konsequenz aus dem Versagen der Thüringer Ermittlungsbehörden bei der Suche nach der Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU).

Basis hat das nächste Wort

Die Wahl des jetzigen Linke-Fraktionschefs Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten ist für den 5. Dezember vorgesehen. Doch bevor der Landtag zu dieser Wahl zusammenkommt, sind noch zwei Hürden zu überwinden. Linke und Grüne lassen zunächst ihre Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen.

Bei der SPD ist ein solches Verfahren nicht geplant. Die Parteispitze hat ihre Basis schon nach den Sondierungsgesprächen gefragt, ob sie überhaupt Koalitionsverhandlungen aufnehmen soll. Das Ergebnis war recht deutlich ausgefallen: Knapp 70 Prozent der Thüringer SPD-Mitglieder sprachen sich dafür aus.

Im Landtag hat das rot-rot-grüne Bündnis nur eine Stimme Mehrheit, die Wahl dürfte also spannend werden. Ramelow geht jedoch davon aus, dass er schon im ersten Wahlgang gewählt wird, und verspricht, die Interessen des Landes hätten Vorrang vor denen seiner Partei: "Ich werde Ministerpräsident für Thüringen sein und nicht die Außenstelle der Linken in der Staatskanzlei." (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 21.11.2014)