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Mike Nichols, der Macher der "Reiferprüfung".

Foto: AP/Chris Pizzello

New York - Sein Debüt als Filmregisseur hätte nicht fulminanter ausfallen können. Mit der Inszenierung des Psychoduells eines älteren Ehepaars, das sich immer mehr in gegenseitige Demütigungen und Niederträchtigkeiten verstrickt, gelang Mike Nichols eine der bis heute populärsten Theaterverfilmungen. Who's Afraid of Virginia Woolf?, die Adaption des Stücks von Edward Albee mit Elizabeth Taylor und Richard Burton, wurde 1967 mit mehreren Oscars ausgezeichnet - und für Nichols zum Durchbruch.

Sein Weg ins Filmgeschäft führte ihn wie so viele Emigranten von Europa in die Vereinigten Staaten und dort vom Broadway nach Hollywood. Als Sohn jüdisch-russischer Eltern in Berlin geboren, studierte Nichols zunächst Psychologie - eine Ausbildung, die sich auch in der Wahl seiner Sujets niederschlagen sollte. Nichols' Interesse galt stets den Seelenzuständen seiner Charaktere, ihren Ängsten und Schwächen.

Nicht zufällig waren die späten 60er-Jahre die beste Zeit für jene Filme, deren Inszenierung Nichols instinktiv beherrschte. Als Hollywood neue moralische und sexuelle Freiheiten auf der Leinwand ermöglichte, öffneten sich auch für Autoren und Regisseure wie Nichols ungeahnte Möglichkeiten. The Graduate (Die Reifeprüfung), für den er den Oscar für die beste Regie erhielt, legt nicht nur vom gesellschaftlichen Umbruch dieser Ära Zeugnis ab, sondern auch vom satirischen Witz, mit dem Nichols triumphierte. "Mrs. Robinson, you're trying to seduce me. Aren't you?" Mit dem von der Anzüglichkeit Anne Bancrofts merklich irritierten Dustin Hoffman verlor auch das Nachkriegsamerika seine Unschuld.

American Film Institute

Auch wenn er mit seinen späteren Arbeiten wie Silkwood (1983) oder The Birdcage (1996) nicht mehr an seine frühen Erfolge anschließen konnte, blieb Nichols als Drehbuchautor und Produzent eine konstante Größe. Mit Primary Colors drehte er 1998 eine Politsatire mit John Travolta, und noch in seinem letzten Film, Charlie Wilson's War (2007), bewies er seinen scharfen Blick für die Scheinheiligkeit von Politik und Moral. Mike Nichols starb am Mittwoch im Alter von 83 Jahren. (Michael Pekler, DER STANDARD, 21.11.2014)