St. Pölten - Die Rechnung ist einfach: Einwohner sind potenzielle Wähler bei Gemeinderatswahlen, besonderes Wählerpotenzial besitzen befreundete Einwohner. Derzeit unterstellen einander in Niederösterreich Politiker verschiedener Gemeinden gegenseitig, Vertreter gegnerischer Parteien hätten an manchen Adressen Personen nur angemeldet, um ihre Stimme bei der nächsten Wahl einzuheimsen.

Diskutiert wird dabei auch wieder einmal über das Zweitwohnsitzerwahlrecht, das in Niederösterreich gilt. Bei der Landtagswahl im Frühjahr 2013 machten die Zweitwohnsitzer rund acht Prozent der Wahlberechtigten aus. Am 25. Jänner wählen 570 - und damit fast alle - Gemeinden in Niederösterreich einen neuen Gemeinderat. Im Vorfeld eines Stichtags für diese Wahl legte das Thema an Brisanz zu: Bis Donnerstag, 16 Uhr, mussten etwaige Nachbesserungsanträge für das Wählerverzeichnis vorliegen.

Vorwürfe von FP gegen VP und umgekehrt

Vorab ging es zwischen ÖVP, SPÖ und FPÖ heiß her: FP-Klubobmann Gottfried Waldhäusl vermutete in einer Aussendung am Donnerstag versuchten "Wählerbetrug" in Waidhofen an der Thaya (dazu hier mehr). Die Reaktion der beschuldigten Partei erledigte der VP-Landesgeschäftsführer Gerhard Karner selbst, der wiederum seinem FP-Kollegen Christian Höbart eine Scheinmeldung unterstellte, woran laut FP natürlich "nichts dran" ist.

Die ÖVP meint zudem, im rot regierten Wiener Neustadt auf Scheinmeldungen gestoßen zu sein. In der 42.000-Einwohner-Stadt geht es um viel: Eifert doch der niederösterreichische VP-Klubobmann Klaus Schneeberger gegen Bürgermeister Bernhard Müller um Stimmen. In Müllers Büro hieß es Donnerstagnachmittag, etwaige Unregelmäßigkeiten bei Anmeldungen seien nicht bekannt.

Für besonderen Aufruhr sorgte die Bürgerliste proLaa in Laa an der Thaya: Sie beschuldigt Vertreter von VP und SP, deutlich mehr Menschen in ihren Haushalten gemeldet zu haben, als dort wirklich wohnhaft oder zumindest Zweitwohnsitzer seien.

19 Personen bei Vizebürgermeister gemeldet

Vor allem die Zahl der beim Vizebürgermeister gemeldeten Personen fällt auf: Reinhard Neumayer (SP) verteidigt die 19 Angemeldeten: Er habe ja zwei Wohneinheiten und die Therme Laa sei nun einmal "ein attraktives Freizeitziel", weshalb befreundete Funktionäre öfters zu ihm kämen.

Bürgermeisterin Brigitte Ribisch (VP) sagt, die Zahl sei ihr auch aufgefallen, sie habe Neumayer gefragt, ob das so seine Richtigkeit habe und er habe das bejaht. Bei Ribisch, auch mehr als eine Wohneinheit, sind laut der Liste zehn Personen gemeldet. Ribisch kann zu jeder eine eigene Geschichte erzählen. Es habe alles seine Richtigkeit, sagt sie. Dennoch werde die Stadt alles prüfen. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 21.11.2014)