Teenager am Kekserltrip: Vicky (17), Josef (17), JoJo (18) und Toni (17), checken zum Backtreff mit ihren Lieblingsrezepten ein. Die kriegt wirklich jeder gebacken.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Schein trügt nicht, Backrohrvorheizen ist das neue Partyvorglühen. Vicky (li.) beim Entdecken vom Spaß beim Keksbacken. Die mitgebrachten Rezepte sind einfach, nussig und ungekünstelt. An Tonis Nase (re.) kommt nur Staubzucker und der Duft von frischgebackenen Vanillekipferln.

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Keksebacken ist für JoJo ein bisserl wie Sandkastenspielen. Sie gehört zur gechillten Generation Montessori und hat großes Vergnügen daran, die Vanillekipferln zuckerweiß zu panieren. Die Arbeitsfläche, Hände und Smartphone sind es danach auch - für selbstgebackene Kekse muss man eben bereit sein, gewisse Opfer zu bringen.

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Foto: Gerhard Wasserbauer

Geh, Schatzilein, sagt JoJo, schieb mir das Mehl rüber und versenke dein Handy besser in der Schürze als in der Schokosauce, denn heute ist die Bude sturmfrei. Allein zu Hause heißt für JoJo immer öfter "Kommt doch vorbei, wir kochen was". JoJo ist gerade einmal 18, macht wie Vicky, Toni und Josef heuer Matura. Sonst geht sie am Wochenende auch gern in Clubs, liebt Poetry Slams, hält sich fit per Youtube-Videos und hängt wie alle anderen auch stundenlang am Handy oder im Netz. Dann ist die einzige Chance, an sie heranzukommen: eine Message auf What's App.

Unterhaltung findet bei JoJo and Friends ausgesprochen gern via What's-App-Gruppen am Smartphone statt. Allein in ihrer Schulklasse gibt es geschätzte 50 dieser Ausmachchats, penibel sortiert in Kategorien wie Party, Mädels, Burschen, Spezial Chics, Sonderclique bis hin zur gesamten Klasse. So weit passt alles. Umso bemerkenswerter, dass sich das Jungvolk auch - und immer öfter - zum Kochen oder Backen verabredet und der schnöden Herdbeschäftigung mit unverhohlenem Vergnügen begegnet.

Backen ist cool, backen ist chillig

Es scheint, als hätten ausgerechnet die Digital Natives einen starken Hang zum Kochen und Backen entwickelt. Wobei: Als "Generation Montessori" hatten viele von ihnen schon im Kindergartenalter Gelegenheit, sich mit Praktiken wie Sand-in-Schütten-Füllen, Proportionen-Ergreifen und Im-Jahreskreis-Arbeiten gut anzufreunden. Vielleicht wühlen sie heute deshalb so gern in Mehl, kneten Teig und haben dieses Gespür für natürliche Materialien entwickelt, weil sie entsprechend taktile Einheiten schon im Kindergartenalter mit dem Löffel verabreicht bekommen haben.

Vor allem aber schreit das virtuelle Leben dieser Generation nach handfest handwerklichem Ausgleich. Schließlich unterfordert das Smartphone die großen Kleinen chronisch - konkret sind mindestens vier von fünf Fingern jeder Teenagerhand am Display ständig arbeitslos. Beim Tippen brauchen sie nur die Daumen, beim Wischen von Bildern nur die Zeigefinger, da wollen die anderen auch gern zum Zug kommen. Hey du, dafür gibt es doch Kochen und Backen! Ist zudem cool, weil es sich in Bild und Ton via Netz verbreiten lässt, das gibt Likes!

Fuck the Backmischung

Zur heutigen Backsession haben sich JoJo, Vicky, Toni und Josef mit ihren jeweiligen Lieblingskeksrezepten gerüstet. Hauptsache einfach, echt und nicht gekünstelt.

JoJo, die im Grunde nicht so die Süße ist, liebt die fruchtigen Zwetschkenbusserln, die schon die Urgroßmutter gebacken hat. Die sind ganz ohne Teig, nur Frucht mit Nuss auf Oblaten, eben nicht zu süß. Die Zwetschkenauflage ist im Topf einfach zusammengerührt, etwas abgekühlt wird die dunkle Paste mittig auf Oblaten platziert, bevor die Nuss draufkommt. Das Trocknen im Backrohr geht ganz schnell, das Ergebnis lässt sich gut zwischen die Zähne schieben.

" Wenn schon, dann selber backen", sagt Vicky, "fuck the Backmischung, ich will wissen, was da drinnen ist." Sie hat sich mit dem Klassiker Vanillekipferl eingecheckt. Als Puristin der Truppe steht sie auch explizit auf das Teigkneten. Der Teig aus Butter, Mehl und den gemahlenen Nüssen ist auch verdammt gut mit den nackten Händen zu kneten. Vicky mag das, wenn sie den Teig zwischen ihren Händen spürt, wenn er nach jeder Tour beim Zusammendrücken zwischen ihren Fingern hervorquillt, sie die kalte Butter spürt, dazwischen immer wieder kosten kann, das glatte kühle Mehl von der Seite immer wieder herankneten kann. Sie kann gar nicht verstehen, welchen Sinn fertig gekaufte Backmischungen haben sollen. Der Spaß liegt doch darin, die einzelnen Zutaten zuerst in ihren Farbschattierungen zu sehen, anzugreifen, abzuwiegen, zusammenzuführen und zu einer glatten, geilen Kugel zu kneten!

Nach einer Stunde im Eiskasten wird die Teigkugel geviertelt, zu Rollen geformt und in gleich große Teile vorgeschnitten. Geh bitte, beim Vanillekipferlwuzeln sind dann dem Josef die kleinen Kipferlrollen immer gebrochen! Man muss halt geduldig mit ihm sein, am Schluss macht er es schon sehr behände.

Genau aus diesem Grund sind ihm die Florentiner lieber. Die sind nämlich megageil. Woher das Rezept genau kommt, weiß er nicht, er glaubt von seiner Mama, die das Rezept irgendwo rausgerissen hat. Ihm ganz unerklärlich, warum die nicht regelmäßiger gebacken werden, weil so mhhhm. Schlagobers wird dazu mit Honig, Zucker einfach aufgekocht, Mandelsplitter und gehackte Pistazien dazu, das Ganze auf ein Backblech und backen, that's it.

Den Mädels zuliebe bestreicht er die Unterseite der Florentiner heute mit über Wasserdampf geschmolzener Schokolade, das brauchen die Florentiner seiner Meinung ja gar nicht.

Das Rezept hat er schon lange im Handy gespeichert. "Ich hab die Florentiner jetzt schon ein paar Mal gebacken, jedes Mal werden sie anders." Was am Honig liege. Je nachdem, wie flüssig oder süß der ist. Manchmal werden die Florentiner auch richtig dunkel, wenn er einen intensiven Berghonig erwischt. Josef ist mehr so der optische Typ: "Rezepte schaue ich immer in Food-Blogs nach und wähle dann nach den Bildern aus."

Jetzt sind die Vanillekipferl fertig: Noch heiß werden sie von JoJo und Toni in der Zuckermischung paniert. Dazwischen müssen die Finger abgeschleckt werden, denn ein Handy vibriert schon wieder nervös auf der Arbeitsfläche.

Keep calm and bake a cake

Es ist die What's-App-Gruppe "Party", die sich meldet und zum Aufbruch trommelt. Die Schokolade an den Florentinern ist noch nicht ganz trocken, aber schon landen die Schürzen in einer Ecke, sorry, wir müssen. In Abwandlung zur Durchhalteparole "Keep calm and carry on" bleibt den Verantwortlichen des Haushalts eine versaute Küche zum Aufräumen zurück. Aber auch das gute Gefühl, dass sich die heutige Jugend gut herausbäckt. Ein paar Keksreste und Brösel sind übrig, alles andere wurde als Unterlage für den heutigen Abend gleich aufgefuttert. Aber wer will sich da schon beschweren: Keep calm and bake the next cake! (Alexandra Palla, Rondo Feinkost, DER STANDARD, 26.11.2014)