In Teams ist es für ein gutes Klima wichtig, dass die Lastenverteilung als einigermaßen gerecht und ausgeglichen erlebt wird. Es gibt so etwas wie eine gesunde Mittellinie im gemeinsamen Verantwortungsfeld - sie ist situativ variabel. Mittelfristig sollten die für die gemeinsame Aufgabe erbrachten Leistungen als gleichwertig empfunden werden. Nehmen wir an, zwei Mitarbeiter sind an einer Aufgabe beteiligt. A ist langjährig im Team, verfügt über gut entwickeltes Können, viel Routine und Hilfsbereitschaft. B kommt neu ins Team, ist fachlich gut, mit den neuen Aufgaben aber noch nicht vertraut. Zwei mögliche Szenarien sind:

1. Das Optimistische: A kann auf nicht perfekte Erledigungen von B (seien es ein Besprechungsprotokoll, eine Baugrube oder ein Vertrag) innerlich so reagieren: "Wird schon werden! Dem fehlt Routine." B mag sich sagen: "Aus Fehlern wird man klug! Das nächste Mal probier ich's auf andere Weise!"

Diese Gedankengänge beeinflussen in hohem Masse die Verhaltensweisen. A unterstützt B mit Geduld, seinen eigenen Stil zu entwickeln. B entwickelt Ehrgeiz, erkennt seinen Entwicklungsbedarf und anerkennt den Einsatz von A für ihn. Ihm ist Fairness ein Anliegen.

2. Im pessimistischen Szenario sagt sich A: "Oje, welchen Versager haben wir da an Land gezogen?" B denkt sich: "Oje, so gut wie A werd ich wohl nie! Wie steh ich jetzt da?" Wahrscheinlich nimmt dann A die Sache selbst in die Hand und gibt B die idiotensicheren Teilaufgaben. Üblicherweise bekommt A dann für sein Verhalten, dass B in seinen Entwicklungsmöglichkeiten einschränkt, positive Rückmeldungen. Manch ein B wird sich resigniert begnügen: "Ich bin halt nicht besser! Schwierigen Aufgaben bin ich nicht gewachsen!" Ein anderer B sagt sich: "Das ist ja super hier! Ich brauch mich nur blöd genug anstellen und schon macht A meine Arbeit!"

Gleich, ob B resigniert oder zynisch reagiert, beiden Varianten ist gemeinsam, dass B nicht besser werden kann und keine Gründe hat, sich persönlich einzusetzen. Die Tür für Rückzug steht offen.

Für A gilt der Satz "(Bis) Wann er's nur aushalt!?" Früher oder später wird A die Zusatzbelastung spüren und die Situation zunehmend als unfair wahrnehmen. B allerdings wird wenig Antrieb verspüren, die Situation von sich aus zu ändern. Der Weg zurück an die gesunde Grenze ist mühsam. Wenn A seine Leistungen einschränkt, reagiert der Vorgesetzte nur allzu leicht mit Appellen an A, wieder mehr zu leisten. A wird dann als das Problem angesehen, möglicherweise eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

An sich ist es wünschenswert, dass im Sinne der Selbstorganisation sich die Kräfteverteilung im Team immer wieder ausbalanciert, Mitarbeiter B also mutig und selbstbewusst sein Arbeitsrevier verteidigt, auch wenn noch nicht alles im gewohnten Sinn gut geht, Mitarbeiter A die Gefahr von Grenzüberschreitungen realisiert und sich zurückhält, in Bs Revier zu wildern. Die Führungskraft sollte jedenfalls ein wachsames Basisvertrauen in die Selbstorganisationsfähigkeit ihrer Mitarbeiter haben. Wenn diese an ihre Grenzen stößt, sollte sie rasch für Fairness sorgen, eher ungleiche Aufteilungen von Verantwortung sich verfestigen. (DER STANDARD, 22./23.11.2014)