Die Porträts von Jitka Hanzlová lassen auf ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Dargestellten und Fotografin schließen.

Man möchte die Menschen gerne kennenlernen, die die Fotografin Jitka Hanzlová porträtierte. Die meisten von ihnen blicken dem Betrachter zwar etwas streng entgegen; sie alle haben jedoch das gewisse Etwas, das Personen so attraktiv macht.

Da wäre etwa die junge Frau, die in rosa Kostüm in einer karstigen Landschaft steht. Noch bevor man dazu kommt, sich über ihre Deplatziertheit Gedanken zu machen, scheint ihr selbstbewusster Blick schon zu sagen: 'Vergiss es, genau hier gehöre ich her!'

Ein ähnliches Gefühl stellt sich beim Rundgang durch Hanzlovás Ausstellung in der Galerie Kargl auch beim Betrachten anderer Porträts ein: etwa bei jenem einer alten Frau, die sich sichtlich wohlfühlt in ihrer Haut. Außerdem gibt es den "Normalo", der tolle, abstehende Ohren hat, oder Leonardo, der als Typ durchaus den Charakteren Caravaggios gleicht.

Mit dieser Assoziation liegt man bei der Serie There is Something I Don't Know auch gar nicht so falsch. Schließlich sind es Hell-dunkel-Kontraste, die in den Fotografien als wichtige Stimmungsträger fungieren. Die Künstlerin hat die Tradition des Renaissanceporträts ganz genau studiert: Bildformat, Platzierung des Porträtierten, auch die Entfernung zum Horizont, die Posen sowie das Verhältnis zwischen Fotograf und Modell ist ganz genau kalkuliert.

Dass sich Hanzlová sehr intensiv mit ihren Modellen befasst hat, ist angesichts der ausgestellten Fotografien jedenfalls unübersehbar. Die Frauen und Männer, die die Künstlerin zum Teil auf der Straße gecastet hat, blicken zwar streng, aber auch sehr vertrauensvoll. So entsteht immer wieder der Eindruck, dass die Porträtierten die Fotografin schon lange kennen und zutiefst davon überzeugt sind, dass diese ihre Individualität einfängt.

Tricks der Alten Meister

Dabei helfen Hanzlová zum einen die Tricks der Alten Meister; zum anderen hat sie sich aber auch schon lange davor mit Fragen zum Thema Identität befasst. Ausschlaggebend war dafür nicht zuletzt ihre eigene Geschichte, der sie auch eine ihrer ersten Werkserien gewidmet hat: 1958 in der damaligen CSSR geboren, flüchtete sie 1982 nach Essen, wo sie später Fotografie und Kommunikationstechnologie studierte.

Anfang der 1990er-Jahre kehrte Hanzlová in ihr tschechisches Heimatdorf Rokytník zurück, das sie über einen Zeitraum mehrerer Jahre immer wieder besucht und in der Serie Rokytník eingefangen hat: Neben Porträts von fast allen Bewohnern des Ortes umfasst diese Ansichten der bäuerlichen Dorfstruktur, der Straßen und Häuser, aber auch Blicke in die extrem pittoreske Landschaft, in der die Zeit stillgestanden zu sein schien.

Betritt man den Oberlichtsaal der Galerie Kargl, erinnert man sich fast automatisch an diese eindrücklichen Aufnahmen. Präsentiert wird dort die Werkgruppe Horses (ab 2007), die dem Titel entsprechend Aufnahmen von Pferden zeigt. Anders als bei den Porträts der Menschen hat Jitka Hanzlová hier allerdings mit den meisten klassischen Regeln gebrochen und den Fokus auf die Details gelegt: auf das Muskelspiel der Tiere zum Beispiel, auf ihr Fell, die Körperfunktionen, aber auch auf Bewegungsabläufe, mit denen die Künstlerin nicht nur die kraftvolle, sehr majestätische Seite der Tiere beleuchtet.

Mit den ausschnitthaften, zum Teil fast abstrakten Fotografien richtet sie den Blick der Betrachter vielmehr auf die kommunikativen, verletzlichen, manchmal fast clownesken Eigenschaften der Tiere. Und damit auf "humane" Stärken, die die Pferde sehr porträtwürdig machen. (Christa Benzer, Album, DER STANDARD, 22./23.11.2014)