Oldenburg - Eine Sonderkommission der Polizei und die Staatsanwaltschaft untersuchen derzeit in Niedersachsen eine dreistellige Zahl an Todesfällen, die sich von 2003 bis 2005 während der Schichten eines heute 38-jährigen Krankenpflegers ereignet haben. Eine Angehörige einer verstorbenen Patientin hatte den Fall ins Rollen gebracht, der sich als größte Mordserie im Nachkriegsdeutschland herausstellen könnte.

Der Pfleger muss sich bereits seit September vor dem Landgericht Oldenburg wegen dreifachen Mordes und zweifachen Mordversuchs verantworten. Er soll Patienten ein Medikament gespritzt haben, das das tödliche Herz- und Kreislaufprobleme auslösen kann. Im Prozess hatten Zeugen auf weitere Verdachtsfälle hingewiesen.

In einem früheren Prozess hatten ihn Richter bereits wegen versuchten Mordes an einem Patienten in Delmenhorst zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft

15 Beamte untersuchen derzeit alle inkriminierten Fälle, die sich neben dem Klinikum Delmenhorst auch an den vorherigen Arbeitsstätten des Krankenpflegers in Spitälern in Wilhelmshaven und Oldenburg sowie bei einem Rettungssanitätsdienst ereignet haben sollen.

"Die Ermittlungen sind äußerst umfangreich", teilte der Leitende Oberstaatsanwalt Roland Herrmann vergangene Woche in Oldenburg mit. Allein in Delmenhorst gebe es 174 Fälle.

Im Gefängnis soll er sich nach Aussagen von Mithäftlingen mit seinen Taten gebrüstet und als "größten Serienmörder der Nachkriegsgeschichte" bezeichnet haben. Bei 50 Morden will er aufgehört haben zu zählen, berichteten Zeugen vor Gericht. Der Angeklagte schweigt derzeit zu den Vorwürfen.

Frühere Arbeitsstätten werden untersucht

Laut einer Angehörigen lagen bereits früher Beweise vor. Mögliche Versäumnisse will die Oldenburger Staatsanwaltschaft nun intern überprüfen. "Die zuständigen Kollegen haben offensichtlich die Beweislage anders eingeschätzt", sagte Behördensprecherin Frauke Wilken. "Diese war damals aber eine andere. Es gibt schon eine Steigerung der Erkenntnisse."

Die Todesrate auf der Intensivstation in Delmenhorst hatte sich von 2003 bis 2005 beinahe verdoppelt. Der Verbrauch des Herzmedikaments sei in der Zeit sprunghaft gestiegen. Die erhöhte Todesrate habe man unter anderem auf die neue Tumorabteilung zurückgeführt.

Das Klinikum wollte sich zu den Vorwürfen bisher nicht äußern. Ein Gutachter untersucht zurzeit die Todesfälle während der Dienstzeit des Pflegers. Anfang kommender Woche ist eine Pressekonferenz geplant. (APA/red, derStandard.at, 21.11.2014)