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Ministerpräsident Benjamin Netanyahu

Foto: AP/Tibbon

Jerusalem- Mit einem Mehrheitsbeschluss hat das Regierungskabinett in Jerusalem am Sonntag nach hitziger Debatte einen Gesetzentwurf zur verfassungsmäßigen Verankerung des Charakters Israels als "Nationalstaat des jüdischen Volkes" auf den Weg gebracht. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen votierten vierzehn Minister für und sechs gegen das Vorhaben. Zuvor sei heftig darüber gestritten worden.

Kritiker sehen die Gefahr, dass das neue Grundgesetz den demokratischen Verfassungscharakter des Landes aushöhlen könnte. Das israelische Parlament wird sich ab Mittwoch in mehreren Lesungen mit unterschiedlich radikalen Versionen des neuen Gesetzes befassen.

Vorrang vor demokratischem Charakter

Ein Entwurf des Abgeordneten Seev Elkin aus der Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sieht explizit vor, dass die Wahrung der jüdischen Identität des Staates Israel Vorrang vor seinem demokratischen Charakter haben soll, wenn sich beide Werte widersprechen. Die arabische Sprache soll demnach ihren Status als zweite offizielle Landessprache verlieren.

Ein konkurrierender Entwurf, der ebenfalls aus der Likud-Partei unterstützt wird, ist etwas weniger explizit. Politikprofessor Denis Charbit von der Offenen Universität Israels erwartet, dass Netanyahu im Verlauf der parlamentarischen Beratung einen eigenen Kompromissvorschlag vorlegen wird. Dass er die beiden radikaleren Entwürfe im Kabinett habe passieren lassen, sei ein taktisches Zugeständnis an die ultranationalistischen Kräfte in seiner Partei und Koalition. Anfang Jänner sieht sich der Amtsinhaber bei Neuwahlen zum Likud-Vorsitz mit Gegenkandidaten konfrontiert.

Warnungen

Politische Repräsentanten der 1,6 Millionen arabischen Bürger Israels, die ein Fünftel der Einwohnerschaft stellen, befürchten, dass das Gesetzesvorhaben den verfassungsrechtlichen Boden für Diskriminierung bereiten könnte. Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein, der zugleich juristischer Berater der Regierung ist, warnt vor einer Schwächung des demokratischen Charakters des Landes. Die liberale Justizministerin Tzipi Livni hatte vor einer Woche das Gesetzgebungsverfahren zunächst blockiert und stimmte wie fünf weitere Minister aus Mitte-Parteien am Sonntag vergeblich dagegen.

An die Kritiker gewandt erklärte Netanyahu zu Beginn der Kabinettssitzung: "Die einen wollen, dass die Demokratie Vorrang hat vor dem jüdischen Charakter unseres Landes, die anderen geben dem jüdischen Charakter mehr Gewicht als der Demokratie. Nach den Grundsätzen des Gesetzes, das ich heute anstrebe, sind diese beiden Prinzipien gleichwertig." Da Netanyahu noch keinen eigenen Entwurf vorgelegt hat, ist unklar, wie er den Disput letztlich lösen will. (APA, 23.11.2014)