Stein zur Meditation (2009) aus Mühldorfer Marmor in der Wiener Albertina.

Foto: Lukas Dostal / Albertina

Zwiegespräche mit Uta Peyrers Bildern in der Galerie Ulysses.

Foto: galerie ulysses

Wien - Drüberstreichen. Mit den Händen die Strukturen sehen. Die Unebenheiten und Übergänge spüren vom glatten Schliff zum rohen Stein. Karl Prantl führte die Besucher gern im wahrsten Sinn des Wortes an der Hand, lehrte sie das Begreifen seiner Kunst, das Erspüren des Materials, das Ahnen der Ewigkeit, die er in den Stein gemeißelt hatte. Wie eherne, überlebensgroße Wächter, die er in seine Skulpturenfelder im burgenländischen Pöttsching stellte, in Ackerfurchen legte, unter Bäume pflanzte.

Wie riesige Broschen aus schwarzem schwedischem oder blauem brasilianischem Granit, tonnenschwere Ohrringe aus Mühldorfer Marmor, betörend schimmernde Schmuckstücke aus Amazoniten und tauern-grünen Serpentiniten, die nun in der Albertina in der Pfeiferhalle ausgestellt sind. An den Wänden Kohlezeichnungen des großen österreichischen Bildhauers aus seinen Studienjahren bei Albert Paris Gütersloh in den späten 1940er-Jahren. Doch lieber als mit Farbe, Stift und Leinwand im Atelier arbeitete er mit Hammer und Meißel unter freiem Himmel. 1959 initiierte er das Internationale Bildhauersymposium St. Margarethen, vor allem für Künstler aus dem damaligen Ostblock wurde Margarethen zum Synonym für künstlerische Freiheit. Die Kollegen gründeten ihrerseits Bildhauersymposien und trugen so die Idee von der gemeinsamen Arbeit in die ganze Welt.

Rückgrat. Wirbelknochen im schlanken, hochgewachsenen schwarz-schwedischen Granit: Den gleichermaßen schlichten wie ergreifenden Stein zur Meditation, der nun in der Albertina steht, hat Prantl im Jahr 2010 fertiggestellt, dem Jahr seines Todes. Obzwar schon seit Jahren von einem Schlaganfall geschwächt, hatte der Künstler bis zuletzt an seinen Steinen gearbeitet, mit ihnen gelebt, einem Bauern gleich, der sich nach Licht und Wetter richtet. "Ich sehe immer die Wesenhaftigkeit des Steines", hatte er bei einem der letzten Besuche erklärt: "Wenn Sie an diesem Labrador Wochen und Monate arbeiten, dann schauen Sie nur in die Augen hinein. Werden ständig von Augen angeschaut. Das ist das Depot aller menschlichen Augen. Alle Augenfarben sind in diesem Stein."

Prantl, 1986 Österreichs Biennaleteilnehmer in Venedig, war ein stiller Künstler, der ungern über sich und lieber über Kollegen redete. Vielleicht deshalb lässt die Albertina die Steine mit Bildern Zwiegespräche halten. Leise Streitgespräche klingen zwischen Prantls Steinen und der schlichten Radikalität von Lucio Fontana und Heinz Mack an; ja, auch Arnulf Rainers Balkenkreuz aus 1954 und Prantls Kreuz aus schwarzem schwedischem Granit (1969-2002) reden miteinander. Ratloses Schweigen allerdings bei Morris Louis und Gotthard Graubner. Warum die? Warum dort?

Wahrhaftiger Dialog

Das wahrhaftigste, innigste Zwiegespräch entspinnt sich allerdings sowieso nur einen Steinwurf von der Albertina entfernt, im Dachgeschoß der Galerie Ulysses, die am Samstag ihr vierzigjähriges Bestehen feiert. Auf schlichten Holzpodesten die Ewigkeitssteine Prantls; an den Wänden flirrende Ölgemälde seiner Witwe, der Malerin Uta Peyrer. Heiter und gleichzeitig tiefernst erzählt Peyrer mit ihren dünnschichtigen Farbflächen, -flecken und -punkten von der Unendlichkeit aller (Kunst-)Universen.

Mehr als fünfzig Jahre waren die Malerin und der Bildhauer verheiratet. So radikal, wie er sich dem Stein aussetzte, so unbeirrbar setzte sie sich mit den Grundfragen der Malerei auseinander: Farbe, Fläche, Tiefe, Raum. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 24.11.2014)