Wien - Tamas S. könnte ein Bankräuber sein. Oder ein 51-Jähriger, der seit fünf Jahren zu Unrecht im Gefängnis sitzt, wie sein Verteidiger Nikolaus Rast überzeugt ist. Entscheiden muss darüber ein Schöffensenat unter Vorsitz von Gerald Wagner, der am Montag mit der ungarischen Justiz hadert.

Im Jahr 2009 wurde S. von den Geschworenen mit 5:3 Stimmen gemeinsam mit einem Geständigen zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die Anklage: Die beiden sollen am 16. April 2004 über den Keller des Nachbargebäudes in den Tresorraum einer Bank in Wien-Leopoldstadt gelangt sein und 190.000 Euro erbeutet haben.

S. leugnet, dabei gewesen zu sein, und das, obwohl am Tatort ein Arbeitshandschuh mit seiner DNA gefunden worden ist. Der könne nur dorthin gekommen sein, da er mit einem der Täter in Budapest eine Wohnung renoviert habe, argumentiert der Angeklagte.

Aus Rache belastet

Doch nun sitzt er neuerlich vor Gericht: Denn der Prozess wurde wiederaufgenommen. Erstens, da sein Mittäter Mitte 2010 sagte, er habe aus Rache gelogen, S. sei unschuldig. Und außerdem soll es neue Zeugen geben, die den wahren zweiten Mann identifizieren können.

Diese Zeugen sind der Grund, warum Vorsitzender Wagner mit den ungarischen Behörden hadert. Zwar hat man es geschafft, eine Videokonferenz mit einem ungarischen Gericht zu organisieren, doch dort wartet nur einer der Zeugen. Obwohl Wagner Bestätigungen des ungarischen Justizministeriums vor sich hat, dass alle anwesend sein werden. Sein ungarischer Kollege bedauert – zu ihm kam nur eine Bestätigung.

Also vernimmt der Senat Laszlo R., der den Angeklagten entlastet. Er habe 2004 die beiden wahren Täter – den geständigen und den mittlerweile verstorbenen zweiten – mit dem Auto nach Wien gefahren, da er ohnehin auf dem Weg nach Deutschland war.

Und: Zuvor habe man noch eine Werkzeugkiste aus einer Wohnung geholt. Aussteigen ließ er sie nahe der Bankfiliale, was sie in Wien wollten, wusste er damals nicht.

Illuminierte Verdächtige prahlen

Erst nach einigen Monaten erfuhr er es möglicherweise. "Ich habe sie bei einem Kneipenbesuch wiedergetroffen, sie waren ziemlich illuminiert." Der mittlerweile tote Verdächtige habe dort geprahlt: Sie hätten jetzt viel Geld, da sie eine Bank ausgeraubt hätten.

"Ich habe das damals nicht ernst genommen. Die beiden sahen nicht wie Bankräuber aus", erklärt er dem Gericht.

2013 nahm er es dann ernst. Die Lebensgefährtin von S., mit dem er seit 20 Jahren befreundet ist, kontaktierte ihn. Erzählte, dass ihr Freund unschuldig im Gefängnis sitze und er aussagen müsse, dass er die wahren Täter damals nach Wien gebracht habe.

Wagner hat auch noch eine Frage an den Angeklagten: Warum ihm eigentlich erst 2013 eingefallen sei, dass der Handschuh mit seiner DNA auch zufällig an den Tatort geraten sein könnte. Eine wirkliche Antwort hat S. nicht.

Eine Entscheidung wird erst später getroffen: Wegen der langsam mahlenden Mühlen der ungarischen Justiz wird zur Ladung der weiteren Zeugen auf unbestimmte Zeit vertagt. (Michael Möseneder, derStandard.at, 24.11.2014)